Blog "Leser-Obmann": Ein kluger Ratschlag, mehr oder weniger

In der Liste meiner Sammlungen mit Gesprächen gibt es auch die Rubrik "Kluge Ratschläge". Dabei handelt es sich um Tipps, die mir Leser am Telefon mitteilen mit der Bitte, die Kollegen in den Ressorts oder manchmal auch einen ganz bestimmten Redakteur darüber zu informieren. Doch die Leser haben dabei stets einen Hintergedanken: Mit dem Ratschlag wollen sie sich eher ein bisschen lustig machen über das, was sie an einem Artikel oder an bestimmten Nachrichten, Formulierungen und Redewendungen kritisieren. Manchmal sind diese Hinweise tatsächlich zum Lachen, manchmal eher weniger. Gestern und heute haben mich diese erreicht:

Episode 1: "Es geht mir um die Kolumne 'Unter uns' auf der Seite Kind & Kegel", sagte ein Leser und nannte mir mit "Punkte statt Zensuren" auch die Überschrift dieses Artikels. Dann hat er mich gebeten, der Kollegin dies vorzuschlagen: "Sie möge doch mal versuchen, im Internet eine Fahrkarte der Deutschen Bahn mit einer Sitzplatzreservierung und Rückfahrt zum Sparpreis für einen Erwachsenen und ein Kind mit Bahn Card 25 zu buchen, denn dann würde sie tatsächlich mal die Erfahrung machen, wie kompliziert auch einfache Dinge gemacht werden können." Der Mann war der Ansicht, was er mit diesem "klugen Ratschlag" offensichtlich zum Ausdruck bringen wollte, dass das Punktesystem alles andere als schwer zu verstehen sei.

Episode 2: "Dass Autofahren durchaus eine nicht ganz ungefährliche Angelegenheit sein kann, werden Sie nicht bestreiten wollen", sagte mir ein Anrufer und wartete meine Antwort auf diese Suggestivfrage nicht ab, sondern fügte sofort hinzu: "Doch bin ich der Meinung, dass einige Kollegen bei Ihnen in der Redaktion mal darüber nachdenken sollten, ob sie nicht, wenn sie hinter dem Lenkrad sitzen, auch einen Helm tragen sollten." Natürlich reagierte ich, wie der Leser es erwartet hatte, und fragte: "Warum das?" Der Leser gab mir dies zur Antwort: "Wenn die Redakteure schreiben, dass man über eine rote Ampel fahren kann, wie es ein Unfallverursacher in einer Polizeimeldung es offensichtlich getan hatte, dann müssten sie eigentlich davon ausgehen, dass die Ampel dann in der Mitte einknickt und das obere Teil möglicherweise die Frontscheibe des Autos durchschlägt und den Fahrer treffen könnte." 

Episode 3: "Manchmal ist es ganz hilfreich, wenn man sich vorher informiert, bevor man eine solche Nachricht in die Zeitung setzt", meinte ein Leser und gab mir deutlich zu verstehen, dass mangelnder Sachverstand kein Grund sei, falsche Informationen zu veröffentlichen, zumal die Suche im Internet kein Problem und damit die beste Möglichkeit sei, Fakten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Ich habe diesen klugen Ratschlag nicht weiter kommentiert und nur gesagt, dass ich die Kollegen über den Fehler informieren werde. Machen wir, damit ich mich nicht ganz so schlecht fühle, hier einfach den Test. In dieser Nachricht hatte der Leser den Fehler entdeckt:

"In knappen Szenen erzählt das Hörspiel "Van Gogh" von Alfred Matusche, der 1973 in Karl-Marx-Stadt starb, den Lebensweg des Malers: vom letzten Familienfoto im holländischen Pfarrhaus, bevor der junge Vincent hinaus in die Welt geht, über die Zeit in London, im Borinage und im südfranzösischen Arles, über die Versuche, zu malen, eine Familie zu gründen oder eine Freundschaft zu leben, bis hin zur Irrenanstalt von St. Remy, dem Kornfeld mit den schwarzen Vögeln und jenem Dr. Gachet, dessen Porträt unlängst den höchsten Preis erzielte, der je auf einer Versteigerung geboten worden ist"

Der Leser meinte, dass jeder Mensch, der sich jemals mit Malerei beschäftigt habe, den Fehler sofort entdecken müsste; was zu beweisen wäre, weshalb ich die Lösung auch erst morgen verrate.

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