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Ein politischer Albtraum der besonderen Art
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Diskussionen über Möglichkeiten, sich eine Meinung zu politischen Themen zu bilden, führe ich häufiger mit Lesern am Telefon. Grundsätzlich gibt es dabei zwei Unterschiede. In dem einen Fall beschweren sich die Anrufer, weil sie meinen, dass in einem Artikel der Sachverhalt vom Autor tendenziell und einseitig dargestellt werde und deshalb offensichtlich das Ziel habe, die Leser bei einer Meinungsbildung in eine bestimmte Richtung beeinflussen zu wollen. In dem anderen Fall geht es immer um den Leitartikel oder um Kommentare in der Zeitung, denn die Anrufer geben mir deutlich zu verstehen, dass sie eher wenig davon halten, dass da ein Kollege offensichtlich seine ganz persönliche Ansicht von sich geben darf, um andere Menschen davon überzeugen zu wollen. Nun dachte ich bis heute, dass ich über jede Art und Weise, wie der Mensch zu einer Meinung kommen kann, schon mal mit Anrufern gesprochen habe. Doch dann wurde ich um kurz nach elf eines Besseren belehrt; und diese Möglichkeit, sich bei der Wahl für eine politische Richtung mit den nötigen Informationen für die Entscheidung zu versorgen, hat mich tatsächlich sprachlos gemacht. Und das kam so:
"Sie erinnern sich ganz bestimmt an mich", sagte eine Leserin und fügte hinzu, weil ich nach der Nennung des Namens nicht sofort ihre Annahme bestätigte: "Wir haben vor einem halben Jahr miteinander telefoniert, weil ich meinen Unmut bei Ihnen abgeladen habe darüber, dass ich jetzt die vollen GEZ-Gebühren bezahlen muss, obwohl ich nur ein Radio habe und über keinen Fernseher verfüge, und dass ich mich maßlos darüber aufregen kann. Was soll sich sagen: Mein Ärger ist bis heute ungemildert groß."
So um die 20 Gespräche hatte ich gegen Ende des vergangenen Jahres mit Lesern über dieses Thema geführt, weil zum Jahreswechsel das Gesetz in Kraft getreten war, dass man künftig keine von der Zahl und der Art der Geräte abhängige Gebühr mehr bezahlen muss, sondern jeder Haushalt völlig unabhängig von Radio oder TV-Apparaten einen Rundfunkbeitrag zu entrichten hat. An diese Leserin erinnerte ich mich nicht, das habe ich ihr aber nicht gesagt, sondern gefragt: "Was kann ich für Sie tun?"
Sie habe die Hoffnung gehabt und diese bislang auch nicht aufgegeben, sagte die Frau weiter, dass es viele Proteste gegen dieses neue Einzugsverfahren geben würde und das daraus auch ein politischer Druck entstehen könnte, der dazu führt, dass das Gesetz wieder gekippt wird und sie dann wieder nur den Beitrag für das Radio bezahlen muss. Bei diesem Anliegen habe sie darauf vertraut, dass es von einer Partei des linken Spektrums aufgegriffen werde und sich ihre Vertreter in den verantwortlichen Positionen dafür stark machen würden, dass vor allem den kleinen Leuten aus diese Weise nicht noch zusätzlich mehr Geld aus der Tasche gezogen werde. Diese Parteien seien dafür bekannt, sich für die Menschen mit geringem Einkommen einzusetzen, und deshalb habe sie sich bei den Wahlen in der Vergangenheit auch immer für diese politische Farbe entschieden und dort ihr Kreuz gemacht. Bis vergangenen Samstag, als sie in ihrem Briefkasten ein Flugblatt gefunden hat:
"Da steht, dass diese Partei als erstes gegen diese GEZ-Abzocke ins Feld ziehen und sofort die Abschaffung des neuen Rundfunkbeitrages veranlassen würde", erzählte mir die Frau und wollte von mir wissen, wie ich die Sache einschätze. Mindestens fünf Sekunden lang habe ich gar nichts gesagt. Denn dass diese Anruferin eine rechtsextreme Partei wählen würde, nur weil diese mit billiger Polemik sich eines Reizthemas bedient und es für ihre Parolen missbraucht, wollte nicht bis zu meinem Verstand vordringen. Dann habe ich es begriffen und mir selbst zwei Fragen gestellt, bevor ich etwas darauf erwidern wollte: Was tun? Meine Empörung wegen dieser Gedanken, meine Verachtung für diese Partei zum Ausdruck bringen? Ich habe mich für eine ganz andere Variante entschieden, spontan und aus dem Bauch heraus, und diesen Hinweis auf ihre Überlegungen komplett ignoriert und der Leserin berichtet, weil das mit wenigen Klicks im Netz zu finden war, was an unabhängigen Protestinitiativen bereits gestartet worden ist und dass sogar schon Sammelklagen vor dem Verfassungsgericht gegen den Rundfunkbeitrag vorbereitet werden. Die Frau in der Leitung hat zugehört, abschließend hat sie dann gesagt: "Mir fällt ein großer Stein vom Herzen, Sie haben mich sehr beruhigt, denn ich dachte schon, dass ich ..."
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