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... und ich weiß nicht, was ich denken soll

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Es war nur eine kurze Meldung auf der Seite Politik in der heutigen Ausgabe der "Freien Presse", zu der mir zwei Leser ihre von tiefen Gefühlen getragene Meinung mitgeteilt haben, wie sie gegensätzlicher kaum sein können wie ich sie in dieser Eindringlichkeit bisher selten erlebt habe; die Nachricht trug die Überschrift "16 Millionen Euro für DDR-Heimkinder", und es ging darum, das 3600 Ostdeutsche, die unter dem drakonischen Erziehungsstil in Heimen der DDR gelitten hatten, bisher eine Unterstützung aus dem Hilfsfonds erhalten haben.

Die Leserin, die mich als erste deswegen angerufen hatte, betonte zu Beginn, dass sie mir ganz bewusst nicht ihren Namen nennen möchte und dass sie aus demselben Grund auch mit einer unterdrückten Nummer anrufe, weil sie auf keinen Fall sich der Gefahr aussetzen wolle, von der Zeitung deswegen noch einmal angesprochen zu werden oder ihren Namen möglicherweise sogar ohne ihr Wissen in einem Artikel wiederzufinden. Ich konnte ihre Bedenken zwar, weil ich auf die Vertraulichkeit des Gesprächs verwiesen habe, ein wenig ausräumen, ihren Namen wollte sie mir aber trotzdem nicht verraten. "Das Misstrauen sitzt einfach zu tief, bitte haben Sie Verständnis dafür", sagte sie. Der eigentliche Grund für ihren Anruf war, dass sie von mir die Kontaktdaten von dem Hilfsfonds "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 - 1990" haben wollte, weil sie darüber nachdenke, sich doch noch an diese Organisation zu wenden und über kein Internet verfüge, weshalb sie sich an mich gewandt hatte. Ich habe ihr die Angaben mitgeteilt - der Fonds hat eine eigene Hompage -, dann hat sie mir aber doch noch ein bisschen von damals erzählt, wobei sie, von Gefühlen ergriffen, immer wieder stockte und tatsächlich um Fassung rang, wenn sie mir von Einsatz körperliche Gewalt und seelischer Erniedrigung durch Erzieher erzählte. Ich möchte die Haltung der Anruferin respektieren und auch hier nicht weiter auf Einzelheiten ihrer Schilderungen eingehen, doch dies steht für mich fest: Dieser Bericht hat mich tief betroffen gemacht.

Ganz anders der andere Leser, der mich nur wenige Minuten später wegen dieser Nachricht angerufen hatte: "Ich bin gern bereit, mit einem Redakteur darüber zu sprechen, damit endlich mal ein Artikel darüber in der Zeitung steht, wie es damals wirklich in den Kinderheimen in der DDR zuging", sagte er mir und nannte Namen, Telefonnummer und Anschrift. Er sei in einem Kinderheim groß geworden, habe aber niemals selbst Schläge erhalten oder gesehen, dass andere Kinder von Gewaltausbrüchen bedroht waren; vielmehr hätten die Erzieher das Interesse gehabt, ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Es sei dort möglicherweise etwas strenger als in einem normalen bürgerlichen Elternhaus zugegangen, was seiner Ansicht nach in der Natur der Sache liege, aber zu leiden hätten die Kinder unter den Erziehungsmethoden niemals gehabt. Wenn in Kinderheimen geschlagen worden sei und es zu seelischen Grausamkeiten gekommen sei, dann wären das die absoluten Ausnahmen gewesen. "Deswegen bin ich davon überzeugt, dass es bei dem Fonds nur darum geht, Geld für erfundene Geschichten zu zahlen."

Wie ich mich jetzt fühle? Ich weiß es nicht, ich bin verunsichert.

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