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Zwei Demos und kein gutes Gefühl

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Zu meinem Entschluss, nicht über die Gespräche und deren Inhalte zu schreiben, die ich seit einer Woche mit Lesern führe, die sich bei mir wegen der "einseitigen" Berichterstattung und Kommentare in der "Freien Presse" über die von der NPD organisierten Protestzüge in Schneeberg beschweren wollen, will ich stehen und verzichte deshalb auch darauf, nach den weiteren vier Anrufen heute zwischen zehn und zwölf meinen angestauten Emotionen an dieser Stelle ein Ventil zu verschaffen. Nein, ich will das nicht, und wer die Gründe wissen will, kann meine Telefonnummer wählen, denn darüber zu sprechen, fällt mir leichter. Trotzdem ist die Stadt im Erzgebirge jetzt ein Thema für mich. Denn ich war am Samstag dabei, nicht am Rande, sondern mittendrin. Und dies habe ich erlebt.

Nur wenige Meter hinter dem Lautsprecherwagen gehe ich inmitten fast ausnahmslos dunkel gekleideter Teilnehmer des Protestzuges ""Refugees welcome - Gegen den rassistischen Mob in Schneeberg und überall" und höre gerade zum wiederholten Mal das mit rhythmischen Klatschen begleitete Skandieren der Forderung "Nationalismus - Raus aus den Köpfen", als mich von hinten ein Arm an der Schulter anfasst und mit unmissverständlichem Nachdruck zur Seite schiebt, während ich vor mir wahrnehme, dass die Leute aufgeschreckt innehalten und sich dann ruckartig in die Mitte des Zuges drängen, weil sie einen sicheren Platz suchen. Dem ersten Polizisten, dem ich im Weg stand, folgen vier weitere im Laufschritt, weshalb ich nun, da ich Teil des Durcheinanders bin, gespannt nach vorne blicke und hoffe, etwas von dem sehen zu können, was passiert ist, weil mit einem Mal auch ein gewaltiges Grölen alle anderen Geräusche übertönt. Doch ich kann nichts von dem erkennen von dem, was ich erst viel später erfahre: Zwei junge Männer außerhalb des Zuges haben den Hitlergruß gezeigt, worauf mehrere Demoteilnehmer aus dem Zug ausgebrochen und weshalb die Polizisten dazwischen gegangen sind und es zu einer Rangelei kam, bei der den Angaben der Polizei zufolge drei Beamte durch Pfefferspray verletzt worden sind. Dieses Geschehen hat mich betroffen gemacht, vielmehr aber war es das, was ich in einigen Gesichtern von Demoteilnehmern in meiner unmittelbaren Umgebung gesehen habe, als der Tumult vor uns in vollem Gange war; diese Wörter schreibe ich mit großem Unbehagen: Es waren Wut und Hass.

Vier Polizisten im Abstand von vielleicht 20 Metern wollen meinen Presseausweis sehen, als ich als einziger Teilnehmer der Gegendemonstration die aus Autos und Beamten zusammengestellte Barriere am Rande des Markplatzes passieren darf, um auf den Markt selbst zu gelangen, und ich mich in die Reihen der Menschen stelle, die gerade der Argumentation eines NPD-Funktionärs vorne auf der Bühne lauschen. Kein Gedränge, kein Geschiebe, keine Murmeln, keine Zwischenrufe, es ist eine Stille, wie ich mir sie beklemmender kaum vorzustellen vermag. Und ich schaue in die Gesichter der Frauen und Männer rechts und links neben mir, während sie nicken, und was ich sehe, jagt mir einen Schrecken ein, und ich schreibe diese Wörter mit großem Unbehagen: Es waren Groll und Feindseligkeit.

Eine Leserin hat mich heute angerufen und mir gleich zu Beginn gesagt: "Ich habe Angst." Und ich habe geantwortet: "Das verstehe ich, mir ist es am Samstag auch so ergangen."

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