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Diese Geschichte will ich einfach nur erzählen; sie ist nicht lustig, sie ist nicht einmal originell, ihr Informationswert ist auch nicht gerade hoch. Warum ich sie aufschreibe? Dieser Blog ist so ziemlich die einzige Möglichkeit, dass ich mir mal etwas von der Seele reden beziehungsweise schreiben kann, damit ich mich hinterher etwas besser fühle und so manchen Ballast nicht unnötig lange mit mir herumtrage. Deshalb bitte ich schon jetzt um Verständnis, es sei mir verziehen, es soll auch so schnell nicht wieder vorkommen, und wer an dieser Stelle deshalb aussteigen möchte, soll das tun, kein Problem. Es war ein Gespräch, und es hat 21 Minuten gedauert, wobei das Problem erst weitere zehn Minuten später dann doch noch einer Lösung zugeführt werden konnte. Dabei fing alles ganz harmlos an:

"Eine Leserin möchte mit Ihnen über einen Artikel im Sport sprechen", sagte die Kollegin im Servicecenter und legte auf. Ich meldete mich mit Namen und Funktion und fragte, was ich tun kann, während ich die Nummer im Display des Telefons registrierte und dachte: Ganz schön weit weg. Was sich dann auch bestätigte: "Ich rufe aus Berlin an und möchte Ihnen mitteilen, dass sie einen Artikel veröffentlicht haben, der aus lauter falschen Informationen besteht", sagte die Frau in der Leitung. Ich bat sie darum, mir die Seite zu nennen, auf der sie den Text gelesen hatte. "Was denken Sie denn, warum ich bei Ihnen anrufe, natürlich auf der Seite der Freien Presse", bekam ich als Antwort, und der Ton wäre mit "gereizt" vermutlich annähernd richtig umschrieben gewesen. Nun ist dieses Problem für mich nicht neu, weshalb ich auch in diesem Fall richtig schlussfolgerte: "Sie haben den Artikel im Internet auf der Homepage unserer Zeitung gefunden", sagte ich und erhielt als Antwort. "Genau, jetzt haben Sie es verstanden." Das Drama nahm seinen Lauf, und ich fing innerlich an, mein Mantra "nur die Ruhe bewahren" zu rezitieren.

Ich bat um die Überschrift; es ging um den bevorstehenden Auftakt des Weltcups der Skispringer. Also klickte ich die aktuellen Sportmeldungen und -berichte an, skrollte mich durch die Liste und fand nichts. Vielleicht ist der Artikel von gestern oder sogar von vorgestern, dachte ich mir, und versuchte mein Glück über die Suchfunktion. Der Begriff "Freund", so heißt der Skispringer in der Überschrift, erwies sich (verständlicherweise) als unbrauchbar, das Ergebnis erstreckte sich auf fast 2000 Seiten; also gab ich mit "Weltcup" das zweite Wort aus der Überschrift ein, erhielt Treffer auf 43 Seiten, blätterte die ersten fünf durch und fand nichts. Mit dem dritten Suchwort "Auftakt" bot der Computer mir nur noch acht Seiten an, und ich beschränkte mich auf die ersten fünf, weil ich da schon auf mehrere Jahre alte Artikel stieß, und fand nichts. Also entschloss ich mich zur Feststellung: "Ich finde den Artikel nicht", sagte ich und wagte die Frage: "Sind Sie ganz sicher, dass Sie auf der Homepage der Freien Presse sind?" Das war eindeutig falsch, der Ton am anderen Ende der Leitung wurde noch etwas schärfer: "Ich kann doch lesen, junger Mann, ich weiß doch, was ich da vor mir habe. Oder gibt es da bei Ihnen in Sachsen mehrere Freie Pressen?" Bei der nächsten Frage war ich mir sicher, dass sie ebenso nicht gut ankommen würde, aber ich musste sie stellen: "Sehen Sie ein Datum, können Sie es mir mal vorlesen?" Die ersten Worte ihrer Erwiderung möchte ich nicht wiederholen, dann sagte die Frau: "Eindeutig 12. November 2013." Nun war ich mit meinem Latein am Ende, ich brauchte Hilfe.

Zuerst rief ich die Kollegin in der Online-Redaktion an und erklärte mein Dilemma; sie suchte mit den gleichen Stichwörtern nach einem Artikel und fand nichts. Dann rief ich beim Sport an, und der Kollege meinte, dass ihm kein Artikel mit den von der Anruferin genannten Fakten und erst recht nicht mit dieser Überschrift bekannt sei, aber er tat mir gefallen und suchte, auch er fand nichts. Als ich die Anruferin wieder in der Leitung hatte und ihr sagte, dass es einen solchen Artikel offensichtlich nicht gebe und ich mir es nicht erklären könne, warum sie einen solchen mit geanu dieser Überschrift bei sich auf dem Bildschirm hat, war dies die Reaktion: "Ich krieg hier gleich die Krise", sagte sie, schob aber noch einige Satzfragmente nach, die ich nicht wiedergeben möchte. Dann hörte ich tatsächlich ein Schluchzen, vielleicht war es aber doch nur ein Husten, weshalb ich ich mich nicht entschloss, das Gespräch an dieser Stelle zu beenden, sondern der Frau diesen Vorschlag machte: "Bitte kopieren sie die Linkadresse und schicken Sie sie mir per Mail, damit ich den Artikel selbst öffenen kann." Damit war die Anruferin einverstanden, und ich buchstabierte ihr die Mailadresse. Das Gespräch war damit beendet, nachdem ich mich verabschiedet hatte.

Neun Minuten und 51 Sekunden später ging eine Mail bei mir ein; eine Linkadresse, das Wort "Gruß" und ein Name, sonst nichts. Ich öffnete die Seite und las die Überschrift; es waren tatsächlich die von der Anruferin zitierten Worte. Neben der Kopfzeile mit dem Titel "Freie Presse" stand das Datum von heute und die aktuelle Temperatur in Chemnitz sowie eine halb von einer Wolke verdeckte Sonne. Ganz am Ende des Artikels beziehungsweise unter  dem Foto las ich: "Erschienen am 09.11.2011." Ich habe der Anruferin eine freundlich formulierte Mail geschickt und ihr mitgeteilt, dass sie einen Artikel im Online-Archiv der "Freien Presse" geöffnet hatte; darauf geantwortet hat sie nicht.

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