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Am Montag dieser Woche habe ich einen Versuch gestartet: Ich teste, ob es mir nicht doch gelingt, die Zahl der Gespräche zu minimieren, bei denen Leser am Ende weniger das Gefühl haben, auf ausreichend Gehör gestoßen zu sein, weil ich versucht habe, aussagekräftige Gegenargumente auszuführen, um die Position der Redaktion zu verteidigen. Durchschnittlich bei jeder dritten Unterhaltung ist das nämlich der Fall, dass mir das emotionale Engagement in der Stimme der Anrufer auffällt und ich vorsichtig sein will, damit der aufgestaute Ärger sich nicht noch steigert. Bevor ich dann eine Diskussion lostrete, habe ich jetzt mehrfach diese Frage gestellt: "Interessiert Sie meine Meinung und der Standpunkt der Redaktion, denn wenn das nicht der Fall ist, können wir das Gespräch an dieser Stelle auch gern beenden, denn ich habe mir Notizen gemacht  und ich würde mich für den Anruf bedanken und Ihnen abschließend noch einen schönen Tag wünschen." Diese drei Anrufer haben das Angebot (offensichtlich dankbar) angenommen:

"Können Sie mir sagen, wenn das interessiert, dass es zwei Bewerber für das Betreiben eines neuen Asylbewerberheims gibt?" fragte mich eine Leserin, die mich wegen einer diesbezüglichen Meldung in einer der westsächsischen Lokalredaktionen angerufen hatte. Für die Darlegung ihres Standpunktes brauchte sie etwa fünf Minuten, ich fasse ihre Haltung zusammen: Es interessiere niemanden, wer die Heime betreibe beziehungsweise betreue, diese Nachricht in der Zeitung hätte man sich sparen können, weil sie vielmehr außerdem noch die Gerüchteküche anheizt, in welcher Stadt das neue Asylbewerberheim liegen wird. Wichtiger wäre in diesem Sinne die Information über den Standort, damit sich die Bürger dort rechtzeitig dagegen wehren können. An meiner Meinung hatte die Anruferin kein Interesse; das Gespräch war dann zu Ende.

"Ich bedauere es sehr, dass in unserer ach so zivilisierten Gesellschaft die Blasphemie kein Straftatbestand mehr ist", meinte ein Leser und leitete mit diesen Worten seinen ausführlichen Kommentar zum Artikel "Im Namen der Brustwarze" ein; in dem Bericht ging es darum, dass das Schauspiel Leipzig mit der Aufführung von "Nipple Jesus" (Nick Hornbys Satire auf den Kunstbetrieb) ein Ausweichen ins Museum der bildenden Künste gewagt hat. Dieser Theaterabend sei ein Beispiel für die öffentlich hingenommene und feige Verächtlichmachung christlicher Werte durch den Kunstbetrieb, und ihn selbst tröste nur, dass die Menschen stets ernten, was sie zuvor gesät haben. Meine Meinung zu "Nipple Jesus" und dem Vorwurf der Blasphemie interessierte den Mann nicht.

"Ihre Kommentatoren und Leitartikler rücken mit ihren Ansichten und Standpunkten immer weiter nach rechts", teilte mir ein Leser mit und begann mit dieser Feststellung einen Rundumschlag dazu, dass linke Positionen seit geraumer Zeit keine Chance mehr hätten, von der "Freien Presse" wahrgenommen und mit einem Artikel gewürdigt zu werden. Was ich dazu zu sagen hätte, wollte der Mann nicht wissen, weshalb er meine Frage mit diesen Worten beantwortete: "Das können Sie sich sparen, schließlich müssen Sie das eigene Nest sauber halten."

Und nun das Ergebnis meines Tests: Mein Versuch ist gescheitert, er war eine Fehlschlag, und von jetzt an werde ich nicht mehr fragen, ob meine Meinung von Interesse ist, sondern sie unaufgefordert und (falls erforderlich) mit Nachdruck kundtun, weil ich diese Weisheit als wahr erachte: Wer schweigt, stimmt zu. Zur Begründung: Meine Position für mich zu behalten, gefällt mir ganz und gar nicht, und das Gefühl hinterher war in allen Fällen kein schönes. Denn gern hätte ich mit diesen Lesern über die Würde des Menschen, die Meinungsfreiheit auch in Fragen religiöser Überzeugungen und die Pressefreiheit als wesentliche Eckpfeiler unserer Gesellschaft gesprochen. Künftig werde ich das auch wieder tun; versprochen.

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