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Von Mördern, Helden und Heidelbeeren
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Heute ist Mittwoch, und das bedeutet: Die Zahl der Anrufer, die sich wegen eines Missstands oder einer Unkorrektheit in der Zeitung bei mir melden und ihren Kummer deswegen loswerden wollen, war heute zwischen zehn und zwölf im Vergleich zu anderen Tagen, an denen meine Kolumne nicht auf der Seite Leserforum zu lesen ist und die Leser deshalb nicht so häufig auf die Idee kommen, mich anzurufen, weil es da etwas gibt, was sie schon immer mal loswerden wollten, um ein Vielfaches höher. Meine Affinität für die Vergabe von Punkten innerhalb einer (nach oben offenen) Werteskala sei mir ebenso wie meine Vorliebe für lange Schachtelsätze mit Nebensätzen bis vierten Grades verziehen, weshalb ich nun zum aktuellen Ergebnis komme.
Platz 5 (2,6 Punkte): "Können Sie mir mal erklären, warum es in der Übersicht der Fernsehprogramme in der Zeitung keine Angaben mehr über die Sendungen im Programm 'Das Vierte' gibt?", fragte mich eine Leserin und beharrte darauf, so lange in der Leitung zu bleiben, bis sie eine Antwort von mir bekommt, weil sie sich dort sehr ärgere, wie sie betonte, dass dieser Kanal dem Rotstift zum Opfer gefallen sei. Nun war ich bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass es ein erstes, ein zweites und ein drittes Programm sowie viele private TV-Sender gibt, weil ich von einem "Vierten" noch nie etwas gehört hatte. Also rief ich den zuständigen Fachredakteur an, der mir sofort mit einer Antwort helfen konnte, die ich wortwörtlich dem Anrufer mitteilte: "Den Sender gibt es nicht mehr, er hat zum Jahreswechsel seinen Betrieb eingestellt." Nach einigen Sekunden der Sprachlosigkeit hörte ich die Frau in der Leitung dies sagen, bevor sie unvermittelt auflegte: "Ach so."
Platz 4 (3,4 Punkte): "Ich bin stocksauer", leitete ein Anrufer seine Beschwerde ein und erklärte mir weiter: "Ich war heute im Supermarkt, weil ich Heidelbeeren kaufen wollte, aber es gab keine." Der Mann schwieg und wartete darauf, wie ich auf diese Ungeheuerlichkeit reagieren würde. Weil ich immer dann, wenn ich überhaupt keine Idee habe, was sich sagen soll, versuche, einen lockeren Spruch anzubringen, um einer solchen Unterhaltung die Schärfe zu nehmen, ließ ich mich zu dieser Antwort hinreißen: "Aber die Saison ist doch auch schon längst vorbei." Der Anrufer fand das gar nicht lustig und war erst dann wieder versöhnlich gestimmt, nachdem ich ihm versprochen hatte, mich mit den Kollegen in der Anzeigenabteilung in Verbindung zu setzen, um zu erfahren, warum ein großer Lebensmittelkonzern in der Zeitung für den Verkauf von Heidelbeeren wirbt, dann aber seine Filialen hier in Sachsen nicht mit diesem Obst versorgt und die Kunden unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen müssen.
Platz 3 (4,1 Punkte): "Vielleicht verraten Sie am besten gleich noch, wer der Mörder ist", sagte ein Anrufer zum Schluss seiner Kritik, dass bei den TV-Empfehlungen auf der Seite "Fernsehen & Radio" immer dann, wenn es darin um eine Tatort-Folge geht, der Inhalt beschrieben wird und ihm deshalb ein Großteil der Spannung verlorengeht, wenn er sich den Krimi dann anschaut. Auf meinen Ratschlag, die Ankündigungen von Tatort-Folgen, die immer auch eine wertende Empfehlung sein wollen und deshalb auch den Plot beschreiben, gar nicht erst zu lesen, weil kurze Inhaltsangaben darin unverzichtbar sind, hat er mit einer Frage reagiert: "Wollen Sie mich ...?"
Platz 2 (5,3 Punkte): "Für mich ist der Feuerwehrmann, der Menschen aus brennenden Häusern rettet und nur schlecht dafür bezahlt wird, ein Held", meinte ein Leser und leitete damit seine Kritik ein: "Aber niemals ein Fußballspieler und schon gar nicht der Trainer einer Mannschaft." Stein des Anstoßes war für ihn dieser Vorspann eines Artikels: "2013 jährte sich das zehnte Mal ein Fußball-Wunder: der erste Aufstieg des FC Erzgebirge Aue in die 2. Bundesliga. Aus diesem Anlass hat Freie Presse die Helden von damals aufgespürt." Für den Mann ist, wie er mir mitteilte, "Fußball in etwa so notwendig wie der menschliche Blinddarm", weshalb er noch hinzufügte: "Ein halbwegs normaler Mensch braucht einen Bäcker, einen Fleischer, er braucht saubere Luft, sauberes Wasser, aber keinen Fußball." Über den Fleischer hätte ich noch gern mit dem Leser diskutiert, aber das Gespräch war ebenso unvermittelt zu Ende, wie es begonnen hatte.
Platz 1 (6,5 Punkte): "Ich finde es nicht in Ordnung, dass der Fortsetzungsroman in der Freitagsausgabe der Zeitung nicht im gleichen Format wie an den anderen Tagen gedruckt wird", teilte mir eine Leserin mit und nannte dies als Grund dafür: "Wenn ich den Text ausschneide und abheften will, stelle ich jedes Mal fest, dass dieses Format überhaupt nicht zu den anderen Teilen passt. Und das stört mich."
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