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Am Ende die Frage: Wen geht das alles etwas an?

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Bei diesem Blogeintrag gibt es (ausnahmsweise) zwei Einleitungen, ich kann mich einfach nicht für eine der beiden entscheiden, weswegen ist heute etwas länger dauert, bis ich das eigentliche Thema erreicht habe. Die erste ist eine Quizfrage (zu gewinnen gibt es wie immer nichts): Was bedeutet die Abkürzung MPU? Wer die Antwort kennt, ohne zuvor die Suchmaschine aktiviert zu haben, müsste sich jetzt, wenn er vor mir säße, vielleicht die Frage gefallen lassen: Woher weißt Du das? Die zweite Einleitung ist ein Geständnis: Selten habe ich nach dem Gespräch mit einem Leser so viel gelernt, wie das heute der Fall war, wobei ich hinzufügen möchte, dass die Unterhaltung selbst nicht einmal zwei Minuten gedauert hat. Und das kam so:

"Ich muss zum Idiotentest, das sehe ich überhaupt nicht ein, vielleicht können Sie darüber mal einen Artikel in die Zeitung setzen", sagte der Mann in der Leitung. Den Sachverhalt und das eigentliche Anliegen, was ich beides nachvollziehen konnte, fasse ich kurz zusammen: Vor vielen Jahren hatte der Leser seinen Führerschein abgeben müssen, weil er mit zu viel Alkohol im Blut erwischt worden war. Anschließend hatte er, weil er auf das Autofahren gut verzichten konnte, die Fahrerlaubnis nicht wieder haben wollen und sich jahrelang um einen entsprechenden Antrag nicht gekümmert. Das hat sich jetzt jedoch geändert, eine Frau war in sein Leben getreten, das Auto wird gebraucht. "Die Behörde will, dass ich trotzdem noch diesen Test mache, das kann doch wohl nicht wahr sein", meinte der Anrufer abschließend und sagte mir Namen und Telefonnummer, damit die Reporter ihn noch mal anrufen können, wenn sie die Recherche starten.

Dass es einen solchen "Idiotentest" gibt, hatte ich gewusst, aber dass er (Auflösung der Quizfrage) offiziell Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) heißt, war mir entfallen, weshalb ich mich entschlossen hatte, der Sache einmal auf den Grund zu gehen und mich im Netz kundig zu machen, was es damit auf sich hat. Was soll ich sagen: Von der Komplexität dieses Themas war ich so überrascht, dass ich, ohne dass der Leser mich exakt dazu aufgefordert hatte, den für das Führen von motorisierten Fahrzeugen und den rechtlichen Grundlagen für den Erhalt eines Führerscheins zuständigen Fachredakteur gebeten habe, dieses Thema doch mal "verbrauchernah" redaktionell aufzuarbeiten. Mein abschließender Kommentar nach dem Gespräch mit dem Kollegen: "Nur gut, dass ich noch nie einen solchen Test machen musste." Nun möchte ich noch, weil ich beim Lesen einschlägiger Artikel im Netz aus dem Staunen kaum herauskam, meine kleine persönliche Rangliste der MPU-Erkenntnisse verraten.

Platz 5: Noch umstrittener als die Aussagekraft der MPU darüber, ob ein Mensch über die Eignung zum Autofahren verfügt, ist die Art und Weise, wie man sich auf einen solchen Test vorbereiten sollte. Denn die Zahl der vertrauenswürdigen Anbieter von Kursen ist, wenn man im Internet danach sucht,  genauso groß wie die Zahl der Warnungen vor unseriösen Geschäftspraktiken. (Das Internetlexikon "Wikipedia" beispielsweise nennt zwölf Kriterien, mit deren Hilfe man einen Anbieter auf seine Seriosität überprüfen sollte.) Was mich bei diesem Punkt zu der Frage kommen lässt: Was ist dieser Test wert, wenn sich ein Mensch extra mit so großem Aufwand darauf vorbereiten muss? Noch nachdenklicher macht mich diese Frage: Wer würde die MPU auch ohne Vorbereitung bestehen? Wie würde ich abschneiden?

Platz 4: Laut Angaben des Bundesamts für Straßenwesen waren bei nur einem Prozent aller Anlässe für eine MPU die körperlichen oder geistigen Mängel der Personen dafür verantwortlich gewesen, während es bei mehr als der Hälfte der Fälle um Alkoholsünder ging, gefolgt von Drogen und Medikamenten sowie anderer Verkehrsauffälligkeiten.

Platz 3: In den vergangenen Jahren mussten jährlich durchschnittlich rund 100.000 Autofahrer zur MPU. Ob das viele sind? Statistisch gesehen wohl eher nicht, es sind lediglich 0,2 Prozent aller Autofahrer. Die Zahl allein aber hat mich nachdenklich gestimmt, weil ich mir vorstelle, wie groß die Zahl der "Fehldiagnosen" sein könnte angesichts der grundsätzlichen Kritik an der MPU.

Platz 2: Selbst Fahrradfahrer, die keinen Führerschein haben, weil sie keinen brauchen und wollen, können zu einem MPU verpflichtet werden.

Platz 1: 1993 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Anordnung einer MPU nach dem einmaligen Konsum von Haschisch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Mein persönliches Fazit meiner Recherche zur MPU: Was die Behörden von dem Menschen, der (warum auch immer) zur MPU verpflichtet wurde, bei den medizinischen Untersuchungen (zum Beispiel über die Blutentnahme und einem Drogenscreening), bei den psychologischen Tests und bei der Leistungsdiagnostik (Reaktion, Belastbarkeit und Aufmerksamkeit) erfahren, geht die Behörden zum größten Teil überhaupt nichts an.

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