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Das eine Geld regt auf, das andere aber nicht

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Manchmal registriere ich eine tiefe Kluft zwischen dem, was die Leser der "Freien Presse" bewegt, mich anzurufen und mir  gehörig die Meinung zu einem aktuellen politischen Thema zu sagen, und dem, wie ich die Sache sehe. Soll heißen: Die sich daraus ergebenen Dialoge am Telefon, weil ich aus meiner Haltung keine Geheimnis mache und die Anrufer an ihrer festhalten wollen, werden zu kontroversen, aber in den meisten Fällen konstruktiven Streitgesprächen. Ich könnte es mir auch einfach machen, mir den Ärger und den Frust der Leute anhören und mich für den Anruf bedanken; vielleicht noch vorschlagen, einen Leserbrief zu schreiben. Aber das liegt mir nicht, ich mag diese Konfrontationen, sie machen mir Spaß und geben mir das Gefühl, etwas bewegen zu können. Heute gab es sie bei drei Gesprächen zum selben Thema: Der Beschluss des Bundestages, die Diäten der Abgeordneten zu erhöhen, und die Lesermeinung dazu unter der Überschrift "Ganz schnell ist man sich da einig" auf der aktuellen Seite Leserforum. Insgesamt mehr als zehn Anrufer haben in den vergangenen zwei Wochen mit mir über dieses Thema sprechen wollen.

Alle waren der gleichen Meinung - die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger von Ärger und Wut erfüllt;  auf einen gemeinsamen Nenner lassen sich die darüber hinaus vielschichtigen Äußerungen aber bringen: Diese Selbstbedienung der Politiker ist eine moralisch verwerfliche Tat und gehört öffentlich angeprangert, weshalb sie gerade deswegen auch als eine der Ursachen für eine immer größere Politikverdrossenheit unter den Menschen in Deutschland scharf zu verurteilen ist.

Widersprochen habe ich nicht, weil ich für diese Haltung, auch wenn meine eine mit einem anderen Grundtenor ist, viel Verständnis habe, doch allen Lesern habe ich gesagt: Solche Beschlüsse von Politikern in Parlamenten sind ein systemimmanentes Phänomen, das ich nur noch zur Kenntnis nehme, aber dass ich schon lange aufgehört habe, mich darüber zu ärgern, weil es viel wichtigere Dinge gibt, für deren Verurteilung ich meine Energie aufsparen möchte, weil es das Ziel sein sollte, dass die Menschen davon profitieren, wenn diese Missstände aus der Welt geschaffen werden, und dass nicht nur die Berufsgruppe der Politiker wegen ihrer moralischen Integrität infrage gestellt werden.

Das klingt kompliziert? Ist es aber nicht, denn dieses Beispiel habe ich den Lesern am Telefon gesagt, formuliert habe ich es immer zuerst mit dieser Frage: Wie stehen Sie dazu, dass der Verteidigungsetat in Deutschland jährlich bei mehr als 30 Milliarden Euro liegt und dass ein großer Teil davon für die Entwicklung von neuen Waffensystemen beziehungsweise für die Anschaffung beispielsweise neuer Kampfhubschrauber oder möglicherweise bewaffneter Drohnen ausgegeben wird?

Die Leser stimmten mir  zu, dass dieses eigentlich nicht weniger verwerflich sei, und wir waren uns meistens einig, dass auch bei diesem Thema man das Recht in Anspruch nehmen dürfe, moralische und ethische Grundsätze als Basis für eine Kritik zu hinzuzuziehen. Doch dann habe ich immer noch diese Fragen gestellt: "Warum ärgern Sie sich nicht in gleichem Maße über die Verschwendung von Unsummen in einem Verteidigungsetat wie über die Erhöhung der Diäten von Abgeordneten? Warum verspüren Sie hier keine Wut?" Was soll ich sagen: Nachvollziehbare Antworten habe ich leider keine gehört, wenn man von dem verbindenden Hinweis einmal absieht, dass das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun habe. Nur ein einziges Mal habe ich - und das schon Jahre her - bei einer ähnlichen Diskussion das Wort "Neid" ins Gespräch einfließen lassen; aus diesem Fehler habe ich gelernt: "Das moralisch vorwerfbare (emotionale) Empfinden, die Besserstellung anderer Personen oder Gruppen sei ungerechtfertigt" (Wikipedia) ist kein Thema, über das ich gern mit Lesern rede; zu tief ist die Kluft zwischen uns.

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