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Männlich, mit Bart und Staatsdiener

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Manchmal rufen mich Leser an oder schreiben mir und machen gleich mit dem ersten Satz dies deutlich: "Das gehört sich nicht, das kann man nicht machen", formulierte es heute ein Anrufer und wartete nicht einmal ab, bis ich mich wegen seines Vorwurfs sachkundig gemacht hatte und eventuell etwas darauf hätte erwidern können, sondern legte sofort wieder auf. Aber auch dieser Fall von "Das darf man nicht" gehörte in die Kategorie von "Man darf doch", was mich immer wieder mit dem Problem konfrontiert, dass ich damit auf wenig beziehungsweise so gut wie gar kein Verständnis stoße, wenn ich versuche, es den Leuten zu erklären. Heute war dies gleich drei Mal der Fall, und zu dem bereits erwähnten Beispiel gab es noch diesen weiteren Anruf einer Leserin:

"Die Partei heißt im Französischen le Front National, was wegen des Artikels eindeutig bedeutet, dass diese Partei männlich ist und es deshalb im Deutschen der Front National heißen muss", erklärte sie mir und fügte noch hinzu: "Die Front National darf man also nicht schreiben, das ist leider falsch." Kurze Zeit später, nachdem mich meine Kollegen in der Redaktion aufgeklärt hatten, musste auch ich erkennen: Man darf doch. Aus folgendem Grund, wie ich jetzt weiß: Sowohl die Front als auch die Partei sind im Deutschen weiblich, weshalb sich die Redaktion der "Freien Presse" (wie auch die großen Nachrichtenagenturen) darauf geeinigt hat, diese rechtsextreme Partei mit dem weiblichen Artikel zu benennen. Ein Kollege fragte mich noch: "Sagst Du die oder der Tour de France, weil es im Französischen le Tour de France heißt?"

Ein anderer Leser hatte sich an mich gewandt, weil er mir etwas zum sächsischen Pressefoto des Jahres 2013 zu sagen hatte, über das "Freie Presse" vor drei Wochen unter der Überschrift "Matthias Rietschel gewinnt Pressefoto-Preis" berichtet hatte. Der Mann meinte: "Wir wollen keine Hitler-Bilder mehr sehen, ich halte das für total falsch." Zunächst habe ich gar nicht verstanden, was er damit meinte, obwohl ich die Seite mit dem Artikel vor mir hatte, doch dann habe ich mir gedacht, dass ich mir das Foto (so wie die beiden Kinder) doch mal auf dem Kopf stehend anschauen sollte. Und ich erkannte: Der gemalte Mann trägt seine Haar mir erkennbarem Scheitel und hat einen Oberlippenbart. Auch darauf habe ich einen verantwortlichen Kollegen angesprochen, seine Antwort hat mich überzeugt: "Das ist Kunst, die darf das."

"Man darf keinen einzigen Artikel über die sogenannte Rentenreform schreiben, ohne darin zu erwähnen, dass es fast zwei Millionen Beamte in Deutschland gibt und dass diese Menschen im Alter eine Pension erhalten, ohne jemals dafür etwas eingezahlt zu haben", meinte eine Leserin und betonte: "Das gehört sich einfach nicht, denn dies ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit." Dieses Thema war nicht neu für mich, weshalb ich darauf verzichtete, meine Erklärung nicht mit "man darf es doch" zu beginnen, sondern versucht habe, mit leicht verständlichen Worten ihr zu verstehen zu geben, dass dies aus journalistischer Sicht zwei völlig unterschiedliche Themen sind. Weit kam ich mit meinen Ausführungen aber nicht, denn die Leserin unterbrach mich mit dem Hinweis, dass sie sich nicht weiter anhören möchte, was ich ihr zu sagen habe, weshalb sie dann auch aufgelegt hat.

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