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Nicht immer leicht: Erst denken, dann reden
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Gleich zu Anfang möchte ich mich dafür entschuldigen: Tut mir leid, heute muss ich etwas ausholen, um dann mit nur wenigen Sätzen von dem Gespräch zu berichten, dass ich vor etwa drei Stunden mit einem Leser geführt habe; die Unterhaltung selbst hat auch nur gerade mal zwei Minuten gedauert. Zwei Gründe gibt es, warum ich das betone: Zum einen habe ich an diesem Montag, was normal ist, von den zwei Stunden zwischen zehn und zwölf insgesamt vielleicht nur rund zehn Minuten lang nicht telefoniert, und es gäbe demnach reichlich Gesprächsstoff, über den ich hier berichten könnte. Zum anderen war es eine besondere Konversation, weil ich den Leser angerufen hatte, was tatsächlich eher die Ausnahme ist.
Und noch etwas muss ich vorher erklären: Manchmal erwische ich mich außerhalb meiner Arbeitszeit bei Diskussionen mit Freunden oder Bekannten dabei, dass ich, bevor ich meinem Gegenüber die Meinung sage, darüber nachdenke, ob ich unverblümt aussprechen darf, was ich denke, weil ich nicht mit meiner Direktheit verstören oder für Irritationen sorgen möchte. Dies ist für mich ein Beweis, dass mir schon in Fleisch und Blut übergegangen ist, was ich als Leserobmann zu meinen fünf Geboten zähle: Bedenke, bevor Du sie aussprichst, die Wahl Deiner Wörter und überzeuge Dich davon, dass sie angebracht ist.
Nun bin ich bei der Frage angekommen: Warum nur hat dieser Mechanismus heute um kurz vor zwölf auf ganzer Linie versagt? Das war passiert:
Mit deutlichen Worten und in jeder Beziehung unmissverständlich hatte ein Leser in einer Mail zum Ausdruck gebracht, dass man durchaus die anstehende Volksabstimmung in Schottland zur Frage der Unabhängigkeit von Großbritannien mit dem Referendum über den Status der Krim vergleichen kann mit der Konsequenz, dass sich die westlichen Staaten aus den Angelegenheiten der Ukraine heraushalten müssen, weil sie niemals auf die Idee kämen, England sogar mit Sanktionen zu belegen, falls das Land auf die Idee käme, die schottische Unabhängigkeit nicht zu akzeptieren, sie zu ignorieren und zu versuchen, eventuell mit Strafmaßnahmen eine Unabhängigkeit zu verhindern.
Die Mail war mit einem Namen unterschrieben, weitere Informationen zum Absender gab es nicht. Also bekam der Leser, was ein Routinevorgang ist, eine Mail zurück mit der Bitte, uns seine Anschrift mitzuteilen, weil wir sonst seine Meinung wie eine anonyme Zuschrift bewerten müssen und leider nicht veröffentlichen dürfen.
Der Mann schrieb zurück, dass er das nicht will und dann lieber auf die Veröffentlichung seiner Ausführungen verzichten möchte.
Unabhängig von meiner Meinung zu seiner Ansicht fand ich den Ansatz in der Argumentation interessant, weshalb ich nicht so einfach akzeptieren wollte, den Leserbrief nicht veröffentlichen zu dürfen, weil ich keine Anschrift habe. Also habe ich mich erkundigt, ob es einen Abonnenten der "Freien Presse" mit diesem Namen gibt; es waren "nur" drei, zwei davon hatten auch eine Telefonnummer hinterlegt, gleich beim ersten Anruf hatte ich Erfolg und durfte mein Anliegen vortragen: "Vielleicht bin ich einfach nur neugierig, aber würden Sie mir bitte erklären, warum Sie nicht wollen, dass ich Ihre Mail als Leserbrief veröffentliche?" Dies bekam ich zur Antwort:
"Ich fürchte um meine Sicherheit."
Ohne mir viele Gedanken darüber zu machen, ob mir das zusteht, den Anrufer derart zu kritisieren, wofür ich mich dann auch entschuldigt habe, sagte ich:
"Zivilcourage aber sieht anders aus."
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