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Stolzer Titel: Ich bin ein Traumtänzer

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Meine kurzen Randnotizen zu Gesprächen mit Lesern zwischen zehn und zwölf habe ich in der vergangenen Wochen leider etwas vernachlässigen müssen; nun aber möchte ich wieder berichten über die Anliegen von Leuten am Telefon, die nicht das "Potenzial" für einen eigenen Blogeintrag haben, aber doch so viel "Substanz" besitzen, dass ich sie nicht unter den Tisch fallen lassen möchte.

Episode 1: Dass mich Anrufer mit wenig schmeichelhaften Wortschöpfungen anreden, ist für mich schon lange kein Grund mehr, mich deswegen zu ärgern oder über Konsequenzen nachzudenken. Dass ich aber stolz bin, weil mich ein Leser mit einem Titel versehen hat, weil er mich damit treffen wollte, war heute doch eine Premiere: "Sie Traumtänzer, Sie ...", begann er seine Worttirade wegen seines Unverständnisses darüber, dass ich meine Kolumne "Mein Traum" geschrieben und mich darin als einer von den Menschen geoutet habe, die sich eine bessere und gerechtere Welt vorstellen können und nichts unversucht lassen, sich dafür einzusetzen. Also: Dann bin ich gerne ein Traumtänzer.

Episode 2: In einer der täglichen kurzen Glossen unter der Überschrift "Hallo Chemnitz" hatte in dieser Woche eine Kollegin mit dem Titel "Straße der toten Igel" ihre Betroffenheit darüber zum Ausdruck gebracht, dass entlang der Neubaustrecke der B 174 viele überfahrene Igel auf der Straße gelegen hätten. Ihre große Hoffnung sei es, dass "vielleicht ja ein einflussreicher Tierschützer in der Gegend wohnt". Ohne große Einleitung begann eine Leserin wegen dieses kurzen Textes am Telefon zu schimpfen und verwendete dabei Wörter und Bezeichnungen, die ich nicht wiederholen möchte. Während ich Zeit hatte, darüber nachzudenken, zu welcher Gruppe von Menschen diese Frau wohl gehören mag, weil sie offensichtlich etwas gegen Tierschutz hatte, kam ich zu dieser Erkenntnis: Irgendetwas stimmt hier nicht. Also habe ich, als sie gerade die Frage "Wie können Sie nur so unverantwortlich sein?" gestellt hatte, die Leserin unterbrochen und gefragt: "Was wollen Sie eigentlich von mir?" Sie schnaubte kurz, aber laut vernehmbar, bevor sie mit noch mal ein Spur lauterer Stimme mir den Grund für ihren Anruf nannte: "Und was ist mit den Rehen? Was ist mit den Füchsen? Was ist mit den Hasen? Was ist mit den Fröschen? (...)"

Episode 3: Ein Leser hat mir mitgeteilt, dass er künftig keine Nachrichten mehr über Leute in der Zeitung lesen möchte, die eine der Risikosportarten wie beispielsweise Bergsteigen oder Gleitschirmfliegen betreiben, dabei einen Unfall haben und schwer verletzt werden oder sogar zu Tode kommen. Meldungen über solche Ereignisse gehörten nicht in die Zeitung, niemand würde sich dafür interessieren. Klare Sache: "Wie kommen Sie zu dieser Auffassung?", fragte ich den Mann, der mit einer Gegenfrage darauf reagierte: "Kennen Sie dieses Sprichwort: Wer die Gefahr sucht, wird darin umkommen?" Was er mir damit sagen will, wollte ich von dem Anrufer wissen, er hat es mir gesagt: "Diese Menschen sind doch selbst schuld, sie haben die Aufmerksamkeit nicht verdient, die man ihnen mit einem Zeitungsartikel zukommen lässt." Das passiert selten, aber an dieser Stelle war ich zunächst sprachlos. Ich wollte gerade zu einer protestierenden Entgegnung ansetzen, als mir eine Idee kam. Die Frage, die ich dem Mann stellte und die am Ende dazu führte, dass wir uns mit der Überzeugung verabschieden mussten, dass es keinen einzigen Annäherungspunkt zwischen uns gibt, war diese: "Sind Sie Autofahrer?"

Episode 4: Bei dieser kleinen Geschichte geht es mal nicht um einen Anruf; auch nicht um eine Mail, um ein Fax oder einen Brief. In meinem Posteingang lag in dieser Woche ein Buch. Es klebte ein kleiner Anschriftszettel darauf, die Sendung war mir korrekt zugestellt worden. Die auf das Cover geklebte Briefmarke (Wert 2,40 Euro) war auch ordnungsgemäß abgestempelt worden, und das Band, mit dem das Buch umwickelt war, hatte es vor einem Zerfleddern während des Postweges geschützt. Ein Anschreiben gab es nicht. Also frage ich mich jetzt, warum man mir dieses Buch zukommen lassen hat. Ich denke unentwegt darüber nach, ich finde keine Antwort darauf. Also liegt das Buch jetzt auf meinem Schreibtisch, während ich darauf warte, dass mir die Erkenntnis kommt. Was mich eher verwirrt, als dass es mich auf einen richtigen Weg bringt, ist der Inhalt. Es handelt sich um einen Roman, das steht nämlich auf der Rückseite, und der Titel lautet "Maria - die Frau aus Magdala". Ich zitiere auszugsweise den Klappentext: "Sie ist attraktiv. Das Leben liegt vor ihr wie eine Einladung. Doch dann geschieht etwas Furchtbares. Ein traumatisches Erlebnis treibt Maria Magdalena auf die schiefe Bahn. Als Prostituierte macht sie ein Vermögen. Gleichzeitig greift eine dunkle Leidenschaft nach ihr, die sie fast in die Verzweiflung treibt. (...)" Was mir zu schaffen macht, weil es mir keine Ruhe lässt, ist die Tatsache, dass ich das Buch am Tag nach der Veröffentlichung der Kolumne "Mein Traum" erhalten habe. Ob mir das etwas sagen soll? Ich weiß es nicht.

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