Blog "Leser-Obmann": Das ist kein Spiel, Menschen werden sterben

Mit sieben Lesern habe ich heute zwischen zehn und zwölf über den Aufmacher auf der Titelseite der "Freien Presse" gesprochen; der Artikel trägt die Überschrift "Marienberger Soldaten werden zur 'Speerspitze' der Nato", und es geht darin darum, dass die Außenminister die Mitgliedsstaaten beschlossen haben, ihre "superschnelle" Eingreiftruppe zur Abschreckung Russlands schon nächstes Jahr und nicht erst 2016 zu aktivieren. Einen wesentlichen Teil dieser Einheit sollen die "Marienberger Jäger" bilden. Die sieben Anrufer hatten ausnahmslos meine Nummer gewählt, weil sie ihr Entsetzen wegen dieses Berichts zum Ausdruck bringen und mit ihrer Meinung nicht alleingelassen bleiben wollten.

Besonders daran ist nicht die Zahl der Leser, die mit mir reden wollten, und außergewöhnlich ist auch nicht, dass alle Anrufer nicht kritisiert haben, dass der Artikel überhaupt und dann auch noch auf der ersten Seite in der Zeitung stand. Den Vorwurf, dass etwas falsch oder nicht eindeutig formuliert ist, habe ich auch nicht gehört, während zwei Leser sogar ausdrücklich darauf hingewiesen haben, wie froh sie darüber sind, dass der Autor betont sachlich und nachrichtlich das Thema angegangen war und nicht (wie es in den Boulevardblättern zu lesen gewesen sein soll) auf Begriffe wie beispielsweise "Front" zurückgegriffen hat. Nein, darum ging es den Anrufern nicht, alle wollten nur eins zum Ausdruck bringen, weshalb jetzt jeder dieser Leserinnen (5) und Leser (2) mit einem Kernsatz seiner Meinung zu Wort kommen darf. Ich gehe davon aus, dass ich anschließend nichts weiter erklären oder erläutern muss, die Zitate sprechen für sich.

"Ich habe Angst, einen Krieg habe ich erlebt, und ich weiß, was mir noch heute Albträume bereitet."

"Es geht hier um eine Einheit, die möglichst schnell und dann auch effektiv Menschen töten soll, und deshalb sollten wir uns auch nichts vormachen lassen mit solchen verharmlosenden Worten wie Speerspitze, dass hier von etwas anderem die Rede ist."

"Das hat mit Abschreckung nichts mehr zu tun, das ist in meinen Augen eine reine Provokation, die nichts anderes zum Ziel hat, als uns die Möglichkeit eines Krieges als Alternative zu verkaufen, und das ist einfach grauenerregend."

"Mein Vater ist während des Kriegs in der Ukraine gefallen, und mit Schrecken kommt mir der Gedanke, wenn ich diesen Artikel lese, dass das vor uns liegende Weihnachtsfest das vorerst letzte in Frieden ist."

"Mit kommt die Kuba-Krise in den Sinn, und ich frage mich, was in den Köpfen der Verantwortlichen vorgehen muss und was sie mir auf diese Frage antworten würden: Lernt die Menschheit die niemals aus ihren Fehlern."

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