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"Es geht doch um unsere Kinder"

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Eine Großmutter macht sich Sorgen um die Entwicklung ihrer Enkeltochter, weil das Mädchen ihr von einem Gespräch mit einer Mitschülerin berichtet und dabei dieses Zitat wiedergeben hat: "Wenn ich auf den Computer verzichten müsste, würde ich nicht mehr leben wollen." Die Seniorin hatte sich an mich gewandt, nachdem sie unmittelbar vor dem Jahreswechsel in der "Freien Presse" das Interview "Kinder behutsam an Netz heranführen" gelesen hatte; Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, hatte darin zum Ausdruck gebracht, dass sich viele Eltern der möglichen Gefahren einer Onlinesucht nicht bewusst seien, wenn sie ihren Sprösslingen zum Weihnachtsfest einen neuen Computer oder ein Smartphone auf den Gabentisch gelegt hatten. Einmal mit der Enkelin zu diesem Thema ins Gespräch gekommen, habe sie sich bei dem Mädchen noch danach erkundigt, wie denn die Lehrer mit der Tatsache umgehen, dass mittlerweile wohl alle Kinder und Jugendliche über ein Smartphone und damit über einen permanenten Zugang zum Internet verfügen. Zur Antwort habe sie diese Information bekommen: "Die meisten Lehrer legen doch selbst als erstes ihr Handy auf den Tisch, wenn sie das Klassenzimmer betreten haben und lassen es während des Unterrichts auch nie aus den Augen, tippen immer mal wieder darauf herum", habe ihr die Enkeltochter von ihren eigenen Erfahrungen erzählt. Damit war die Großmutter aber noch nicht am Ende angelangt, sie wollte mir auch noch von einem eigenen Erlebnis erzählen: "Kürzlich war ich in der Kirche, haben einen Gottesdienst besucht, und soll ich Ihnen mal etwas verraten?", stellte sie mir eine Suggestivfrage, weil sie meine Antwort nämlich nicht abwartete, sondern gleich hinzufügte: "Zwei Frauen und ein Mann hatten während der gesamten Messe ihr Smartphone in der Hand oder auf den Knien liegen." Die Seniorin hatte keine Frage an mich, einen Leserbrief wollte sie auch nicht schreiben, ihr ging es nur um diese Feststellung: "Mir wird manchmal angst und bange, wenn ich versuche, mir vorzustellen, wo das noch alles hinführen soll. Eigentlich bin ich in einem Alter, in dem ich gelassen angesichts dieser Veränderungen im menschlichen Miteinander bleiben könnte. Aber das gelingt mir nicht. Es geht doch um unsere Kinder."

Dieses Gespräch mit einer Leserin war das erste im neuen Jahr und hat mir gerade deshalb gut gefallen, weil ich nach einer Urlaubspause immer gespannt auf den Auftakt meiner "Sprechstunde" von zehn bis zwölf bin und mit dieser Unterhaltung diesmal wohl großes Glück hatte, weil ich geneigt bin, sie als gutes Omen zu deuten. Denn diese Einstellung hat mir gut gefallen, auch wenn ich die Sorgen der Frau nicht uneingeschränkt teile, weil ich selbst nämlich zu der Generation gehöre, in der während meiner Kindheit das Fernsehen als Massenmedium die Wohnzimmer und später sogar (bei dem Boom mit der Mengenlehre in Mathe) den Schulunterricht eroberte, was viele Kritiker damals zu der Äußerung veranlasste, mit der Glotze drohe die geistige Verrohung der Menschen, und man müsse dieser Entwicklung unbedingt Einhalt gebieten. Ob die TV-Gegner damals vielleicht doch Recht hatten? Werden die Menschen in einigen Jahrzehnten überhaupt noch miteinander reden oder sich nur noch über Kurznachrichtendienste miteinander unterhalten? Heute Morgen bin ich in der Bahnhofshalle mit einem Jugendlichen zusammengestoßen, der auf mich zukam, dabei unentwegt auf das Smartphone in der Hand blickte und einen Meter vor mir, als ich gerade einen Ausfallschritt nach rechts machte, um die Kollision zu vermeiden, plötzlich gleichfalls seine Richtung änderte, ohne aufgeschaut zu haben, aber (zu unser beiderseitigem Nachteil) leider in die falsche, nämlich in meine Richtung.

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