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Wichtig: Schälen oder doch löffeln?
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Ob ich mit Lesern am Telefon diskutiere in einer Art und Weise, wie man sie auch streiten nennen könnte, hängt immer maßgeblich von zwei Aspekten ab. Erstens: Verstehe ich etwas von dem Thema, um das es dem Anrufer geht, und verfüge ich über ausreichend Hintergrundinformationen, mit denen ich meinen Argumenten entsprechend Nachdruck verleihen kann. Zweitens: Entnehme ich dem Tonfall und der Wortwahl meines Gesprächspartners, dass er zumindest in Erwägung ziehen könnte, meinen Standpunkt in dieser Angelegenheit als so interessant einzustufen, dass er mir zuhört und mich ausreden lässt. Bei drei Hinweisen und Beschwerden von Lesern habe ich heute darauf verzichtet, mich auf einen inhaltlichen Disput einzulassen. Um diese drei Themen ging es den Anrufern dabei.
Episode 1: "Einen größeren Quatsch habe ich schon lange nicht in der Zeitung gelesen", meinte eine Leserin und zitierte mir mit "Pampelmusen lassen sich leicht schälen" die Überschrift eines Artikels auf der Seite Ratgeber in der heutigen Ausgabe der "Freien Presse". Ihre Kritik fasste die Frau in der Leitung mit diesem Satz zusammen: "Wenn Sie wollen, komme ich noch heute Nachmittag bei Ihnen vorbei und zeige Ihnen, wie einfach man eine Grapefruit schälen kann, löffeln, dass ich nicht lache."
Episode 2: Ein Leser berichtete mir heute von "einer Abhandlung über den Generationswechsel der Waldameisen im Biologiebuch der 11. Klasse". Weil ich diesen Text nicht kannte, habe ich den Hinweis lediglich zur Kenntnis genommen, während ich ein paar Sekunden lang darüber nachdachte und zu dem Ergebnis kam, meinen Kollegen in der Redaktion diese Einschätzung vorzuenthalten, weil sie bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit keine befriedigende Antwort zu geben in der Lage ist. Ach ja, das wollte der Mann damit zum Ausdruck bringen: Das Buch "Shades of Grey" sei für ihn weniger erotisch gewesen als "eine Abhandlung ...".
Episode 3: "Dass die Zeitung es nicht leicht hat, sich nicht zum Sprachrohr von Parteien und Interessenverbänden zu machen, kann ich noch verstehen", sagte mir ein Anrufer und fügte hinzu: "Aber das heute hätten Sie sich wirklich sparen können." Weil er, während er mit mir telefonierte, online war und die entsprechende Seite im Netz auf seinem Monitor hatte, durfte er, weil er mich zuvor gefragt hatte, aus Wikipedia zitieren: "Als Denkfabrik werden Institute bezeichnet, die durch Erforschung, Entwicklung und Bewerbung von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Konzepten und Strategien, Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen und sie so im Sinne von Politikberatung fördern. Einige Denkfabriken vertreten dabei eine bestimmte politische oder ideologische Linie, die aggressiv beworben wird, um politische Debatten zu beeinflussen." An dieser Stelle machte der Mann eine Pause, die ich so interpretierte, dass ich mich nun auf einen Streit einlassen könnte, was ich aber ablehnte und sagte: "Vielen Dank für den Hinweis, ich werden ihn an meine Kollegen in der Politik weitergegen." Der Leser war zuerst erstaunt, dann wohl zufrieden, hat sich freundlich bedankt und verabschiedet. Angerufen hatte er mich wegen des Artikels "Verhandeln oder schießen?" heute auf der Seite "Kommentar & Hintergrund", wo in einem ergänzenden Info-Artikel auf die Denkfabrik "Atlantic Council" und ihre Einschätzung des Konflikts in der Ukraine verwiesen wird. Noch immer bin ich mir nicht mir sicher, ob ich das Wort "Denkfabrik" nun eher gut finden soll, weil der organisierte Gebrauch des Verstandes eine bestimmt tolle Sache ist, oder ob ich es als einen Euphemismus für eine Ansammlung von überflüssigen Lobbyisten kritisieren und es aus meinem Wortschatz streichen sollte.
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