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In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich bei vielen Gesprächen mit Lesern, die mich - in welchem genaueren Zusammenhang auch immer - wegen der Flüchtlingskrise angerufen hatten, auch darüber mich unterhalten, dass es in Deutschland das Grundgesetz mit dem Verweis auf die Würde des Menschen, in Europa eine eigene europäische Menschenrechtskonvention und weltweit die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen gibt. Für mich war das immer wichtig, weil ich ein Gefühl dafür bekommen wollte, wie weit meine Gesprächspartner dann auch gehen würden, um den Menschen, die tatsächlich vor Krieg und Terror fliehen, ihrer verbrieften Grundrechte abzusprechen. Eigentlich kann ich zusammenfassend sagen: So weit wollte dann doch niemand gehen und sagen, dass die Flüchtlinge beispielsweise nicht das (international anerkannte) Recht auf körperliche Unversehrtheit für sich beanspruchen dürfen. In alle diesen Unterhaltungen zwischen zehn und zwölf am Telefon waren die Diskussionen, wenn sich denn die Anrufer darauf eingelassen haben, immer betont konstruktiv und - im Gegensatz zu anderen Gesprächen - viel weniger von Emotionen geprägt. Heut aber ist etwas passiert, was mich tatsächlich dazu gebracht, über das Fundament meines eigenen Gerüsts an Werten intensiv nachzudenken.

Vier Leser nämlich meinten, nachdem sie den Artikel "Triumph für den Massenmörder" auf der Seite Zeitgeschehen gelesen hatten, es könne ihrer Ansicht nach nicht angehen, dass ein Gericht den norwegischen Staat dafür verurteilt hat, Anders Behring Breivik zu lange isoliert gefangen gehalten zu haben, weil dies gegen die Menschenrechte verstoße. Der Norweger hatte im Juli 2011 bei Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen getötet, darunter viele jugendliche Teilnehmer eines Sommerlagers. Im Jahr darauf hatte ihn ein Gericht zur Höchststrafe von 21 Jahren Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt. "In seiner Gedankenwelt ist kein Platz für ein freiheitlich-demokratisches System, aber genau das nimmt er in Anspruch, um Rechte einzuklagen.  Geht von solchen Urteilen nicht vielleicht tatsächlich eine falsche Botschaft aus?", fragte mich eine Leserin. Und von einem Moment auf den anderen sah ich mich mit einem Dilemma innerhalb meiner eigenen Überzeugungswelt konfrontiert, und ich muss bekennen, dass ich noch keine Antwort gefunden habe und noch eine Weile brauche, um mir selbst diese Fragen zu beantworten: Selbst für diesen Mann gelten die elementarsten Grundrechte wie Würde und körperliche Unversehrtheit - aber hat dieser Mann nicht vielleicht doch das Recht verwirkt, die menschliche Gemeinschaft als Teil seines Wohlgefühls für sich beanspruchen zu dürfen? Und ist es wirklich unmenschlich oder sogar erniedrigend, wenn man ihn von anderen Menschen trennt?

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