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Entsetzt und sprachlos
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Dieses Gespräch am Telefon wird mich noch eine Weile beschäftigen. Ihre Erschütterung brachte die Leserin mit diesem Satz abschließend auf den Punkt: "Ich bin sprachlos, ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll." Die Frau ist Jahrgang 1931 und hat sich, gerade weil sie die ersten 14 Jahre ihres Lebens in dieser Diktatur verbracht, zeit ihres Lebens mit der deutschen Geschichte und speziell mit der Aufarbeitung des Dritten Reichs beschäftigt. "Seitdem rechte Gesinnungen in unserem Land wieder ernst genommen werden müssen und deshalb zurecht zum Gegenstand von politischen Grundsatzdiskussionen geworden sind, umtreibt mich die Sorge, was das für unsere Gesellschaft bedeutet und wo diese Entwicklung eines Tages enden wird", erklärte sie mir und fügte hinzu, nachdem sie mir mit "Wie die Chemnitzer Pegida und AfD sehen" die Überschrift des Artikels (erschienen am Dienstag, Seite 11 im Lokalteil Chemnitz) genannt hatte, der sie veranlasst hatte, ich anzurufen: "Darauf aber war ich nicht vorbereitet, das kann ich so nicht einfach akzeptieren und zur Tagesordnung übergehen." Sie habe sich auch mit dem Inhalt des Artikels auseinandergesetzt und würde sowohl bei einigen Ergebnissen der Befragung zustimmen, während sie andere infrage stellen würde, weil sie ihrer Ansicht nach keinen wirklichen Blick auf das Denken der Menschen erlaube, denn bei 208 Personen könne man nicht von repräsentativen Befragung sprechen. Ihr Entsetzen hatten vielmehr zwei Sätze ausgelöst: "Bei der ersten Aussage war ich mir zuvor sicher, dass man sie nicht einmal mehr denken, geschweige denn schreiben darf", schickte sie dem ersten Zitat voran; bei den Telefoninterviews wurden die Leute gefragt, ob sie dem zustimmen würden:
"Es gibt wertvolles und unwertes Leben."
Bei dem zweiten Satz habe sie über die Fassungslosigkeit hinaus noch mehr verwirrt, dass sich eine Soziologin dieses Vokabulars bediene. Es ging an dieser Stelle darum, dass die Soziologen einem Phänomen den Begriff "Wendeverlierer" gegeben hatten und es sich dabei um Personen in Ostdeutschland handelt, die sich einer Gruppe zugehörig fühlen, die nach der Wende abgehängt worden sei. Einige würden sich dort hinwenden, wo einfache Antworten gegeben würden. Für dieses Zitat hatte die Anruferin nicht nur kein Verständnis, es mache sie auf eine Weise betroffen, wie sie es schon lange nicht mehr erlebt habe:
„Man möchte zurück in eine alte übersichtliche Ordnung und in den warmen Schoß einer völkisch homogenen Gemeinschaft“, sagt die Soziologin.
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