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Kulturerbe: Sahne, niemals Milch

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Als ich gestern auf der Titelseite den Beitrag "Das Blatt muss sich wenden - Wieso das Skatspiel den Schutz der Unesco nötig hat" gelesen habe, war meine Freude groß. Tatsächlich habe ich ein kleines Glücksgefühl empfunden, ein entsprechend ausgeprägtes Schmunzeln konnte und wollte ich mir nicht verkneifen, was aber eher weniger von Bedeutung ist, da ich ohnehin zu diesem Zeitpunkt allein in meinem Büro saß, denn am frühen Morgen bei der Lektüre der Zeitung hatte ich nur die Überschriften und die ersten beiden Absätze gelesen, weil Kartenspielen eigentlich gar nicht zu meinen Freizeitbeschäftigungen gehört und ich meine letzte Skatpartie irgendwann Anfang der neunziger Jahre gespielt habe. Dann aber passierte dies: Drei Leser haben mich im Laufe des Tages angerufen, weil sie sich ganz fürchterlich über den Artikel geärgert hatten. Das wiederrum hatte zur Folge, dass ich ihn mir doch noch einmal auf den Schirm holen musste und ihn bei dieser Gelegenheit auch bis zum Ende durchgelesen habe. Dabei erfuhr ich davon: "Auf dieser Schutzliste der Unesco stehen unter anderem Ostfrieslands Teekultur oder die Bergparaden des Erzgebirges", hieß es in dem Artikel. 

Bevor dieser Verdacht aufkommt, möchte ihn gleich im Keim ersticken: Natürlich wusste ich schon vorher, dass dieses heimatliche Brauchtum in der Region, in der ich vor mehr als 20 Jahren eine neue Heimat gefunden habe, auf der Schutzliste der Unesco steht, denn in Zusammenhang mit Berichten über Bergaufzüge in der Region war mir diese Tatsache schon häufiger "über den Weg gelaufen". Soll heißen: Die Menschen im Erzgebirge dürfen, finde ich, zu Recht stolz auf ihre Bergparaden sein. Was mich vielmehr in Entzücken versetzte war der Hinweis, dass die Teezubereitung, wie ich sie in meiner Kindheit und Jugend als wesentlichen Bestandteil der Trinkkultur kennengelernt hatte, auch ein immaterielles Kulturerbe ist. Das war mir neu, entsprechend habe ich mich gefreut, weil ich mich an diese ganz speziellen "Treffen auf eine Tasse Tee" während meiner Jugend wehmütig erinnert habe; leider kann beziehungsweise darf ich nicht davon erzählen, was wir sonst noch so in diesen Runden getan und konsumiert haben; aber das ich ja auch nicht wirklich wichtig. Noch heute trinke ich schwarzen Tee am liebsten so wie damals: Zuerst einen Kluntje (Kandiszucker) in die Tasse legen, dann den schwarzen Tee (Ostfriesenmischung) darüber gießen und warten, bis dieses so charakteristische Knistern des Zuckers nicht mehr zu hören ist, bevor man dann einen Löffel (ich betone) Sahne hinzugibt, und zwar ganz vorsichtig am Rand, damit man staunend verfolgen kann, wie sich ganz langsam eine weiße Wolke auf der Oberfläche ausbreitet. Also: Normaler Zucker und Milch sind nicht nur verpönt, sondern geradezu eine Respektlosigkeit ungeahnten Ausmaßes gegenüber diesem immateriellen Kulturerbe.

Abschließend will ich nicht für mich behalten, warum die drei Anrufer meine Nummer gewählt hatten, um ihren Ärger loszuwerden, wobei ich mir ein Urteil beziehungsweise eine Schätzung der Bedeutung dieser Hinweise nicht erlauben möchte, die Information muss reichen: Die beiden Männer und die eine Frau waren nämlich stocksauer wegen des Fotos, mit dem der Bericht illustriert war. In die Nase gefahren war ihnen, dass ein französisches Blatt und kein deutsches zu sehen war; also beispielsweise Kreuz statt Eichel. "Sie stoßen uns Skatspieler hier in Sachsen damit geradezu vor den Kopf", meinte ein Anrufer, während ein Leser unverblümt sagte: "Den Bericht kann doch nur ein Wessi ins Blatt gesetzt haben."

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