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Wenn es eins gibt, worauf ich mich garantiert verlassen kann, dann dies: Dass Leser sich nicht mehr bei mir melden, weil sie bislang ihnen völlig unbekannten Anglizismus in einem Bericht entdeckt haben, wird nie der Fall sein, was ich als uneingeschränkt positiv bewerte, weil ich selbst zu den Menschen gehöre, die manchmal englische Wörter verwenden, ohne darüber nachzudenken, dass ich es tue. Ein Beispiel: Okay, dies sind die Randnotizen aus den Protokollen der Gespräche mit Lesern zwischen zehn und zwölf zum Wochenausklang:

Episode 1: Beschwerden über aus der Sicht der Leser völlig unnötigen Anglizismen in der Zeitung erreichen mich nahezu täglich, weshalb ich eigentlich mich dazu entschlossen habe, hier nur noch in Ausnahmefällen darüber zu berichten. Einen solchen hat es heute gegeben: Die Leserin hatte den Artikel "Fünf Fachhochschulen sahnen bei Bundeswettbewerb ab" auf der Seite "Sachsen" gelesen und sich maßlos über das Wort "Showroom" aufgeregt; eine Erklärung, was es bedeutet, wollte sie gar nicht hören und sprach einfach weiter, ohne mich zu Wort kommen zu lassen, sie sagte: "Okay finde ich völlig daneben, das heißt in Ordnung, schließlich sind wir Deutsche und sollten das auch in der Sprache zum Ausdruck bringen." Als sie dann am Ende angelangt war, durfte ich sprechen: "Vielen Dank, dass Sie angerufen haben, ich werde Ihren Hinweis an die Kollegen in der Redaktion weitergeben." Dies waren die letzten Worte der Verfechterin der deutschen Sprache, das erste muss ich leider in Lautschrift wiedergeben, weil ich die richtige Schreibweise nicht kenne und auch im Netz gefunden habe: "Guddie, das war's dann."

Episode 2. Die Anzahl der Leser, die mit mir über die Berichte zum G-20-Gipfel reden wollten, liegt im zweitstelligen Bereich, was mich nicht wirklich überrascht, weil das Thema in einem bestimmt Punkt extrem polarisiert: Der Aufwand und die Kosten stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen der Veranstaltung. Nahezu in allen Gesprächen ging es vor allem darum, dass man die Millionen Euro, die allein für die Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben werden müssen, viel besser und sinnvoller hätte ausgeben können; vor allem in sozialen Bereichen, meinten die Anrufer einmütig. Von diesen Unterhaltungen zu berichten, wäre mir eigentlich gar nicht in den Sinn gekommen, wenn eine (eigenen Angaben zufolge schon "ganz alte") Frau in der Leitung nicht abschließend diesen Satz gesagt hätte: "Warum mietet man, wenn man die Staatschef schon unbedingt an einem Ort zusammenbringen will, nicht einfach eines dieser großen Kreuzfahrtschiffe, fährt damit auf hohe See und fliegt die Honoratioren mit dem Hubschrauber ein; damit würden die meisten Problem gelöst, bevor sie überhaupt entstehen, und die Kosten würden sich vermutlich auch in Grenzen halten." Ich habe mich für das Gespräch bedankt und mich verabschiedet, bevor ich den nächsten Anruf entgegennahm; es dann tatsächlich noch eine Weile gedauert, aber dann war ich mir sicher: Der G-20-Gipfel auf der Aida - die Vorstellung hat was.

Episode 3: Das "Gedicht der Woche" in meinem Blog ist in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen, was aber nicht daran liegt, dass ich keine gereimten Lesermeinungen mehr erhalten habe, sondern war allein der Tatsache geschuldet, dass ich selbst die zum Ausdruck gebrachte Einstellung zu aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen in auf meiner Seite nicht lesen wollte. Bei diesem Vers ist das nicht so, allerdings hat sich der Autor an einem bereits erfolgreichen Text orientiert, dessen Quelle ich wohl nicht nennen muss; die Qualität möge jeder selbst für sich einschätzen:

Und das Ende vom Lied hat wohl jeder geahnt,

die Bundestagswahl hat sie dort abgesahnt.

Die Wahlverlierer fanden vor Schmerz keine Worte,

mit Sacher und Linzer und Marzipantorte.

Hielt als letzte "Mutti Angie" getreu noch zur Fahne, aber bitte mit Sahne.

 

Episode 4: Eigentlich habe ich meinen Ordner mit verdrehten Redensarten vor zweieinhalb Jahren geschlossen, weil ich mir mit den Berichten über Gespräche mit Lesern, die leider bei dem Zitieren solcher "geflügelte Worte" etwas durcheinander bringen, mehr Ärger eingehandelt habe, als dass ich davon ausgehen durfte, dass man darüber schmunzeln darf und dies deshalb einen gewissen Unterhaltungswert hat. Zur Erinnerung: Auf Platz eins der Liste stand unangefochten "da platzt mir doch die Hutschnur", wobei ich nicht verschweigen möchte, dass ich diese Verdrehung der Redensarten "da platzt mir doch der Kragen" und "das geht mir über die Hutschnur" erst gestern wieder am Telefon gehört habe. (Übrigens gibt es in der Sprachwissenschaft tatsächlich den Begriff "Kontamination" für dieses Phänomen.) Also nun doch noch mal ein Beispiel: Der Mann hatte mich angerufen, weil er sich in Zusammenhang mit dem tragischen Busunglück darüber geärgert hatte, dass die Gaffer, die auf Autobahnen verhindern, dass ein Rettungsgasse gebildet werden kann, maximal ein Bußgeld von 165 Euro zahlen müssen. Es sagte: "Die Leute tragen die Katze doch auf dem Schwanz weg." Nun denn, nachdem die Unterhaltung zu Ende war, habe ich mir bildlich vorgestellt, wie mein Kater, der nun leider nicht mehr lebt, reagiert hätte, wenn ich auch nur versucht hätte, seinen Schwanz etwas mehr anzufassen, als ihn zu streicheln. In Erinnerung an das Tier, das 21 Jahre lang durch meine Wohnung getigert ist, habe ich eine Weile in mich hinein gelächelt, weil ich dies weiß: Manche Dinge sind so unbedeutend, dass "die Katze sie auf dem Schwanz fortträgt".

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