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Links geht auch extrem
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Zwei Möglichkeiten gibt es: Ich schreibe diesen Blogeintrag, was mir nicht leicht fallen wird, oder ich lass es sein, weil ich dann gar nicht erst versuchen muss, in Worte zu fassen, womit ich heute zwischen zehn und zwölf konfrontiert wurde. Nun denn, die Entscheidung ist gefallen, obwohl ich mich so fühle, als würde ich einen Offenbarungsleid leisten: Sieben Leser haben mich heute angerufen, weil sie mit mir über die Titelgeschichte "Nach G-20-Gipfel sagt Bund Linksextremisten den Kampf an" und über die Reportage "Es war eine Machtdemonstration" mit der Unterzeile "Die linksextremistischen Randalen in der Hansestadt ziehen Kreise bis nach Sachsen" reden wollten - und alle waren aus dem gleichen Grund echt sauer, wobei dieser Mann ihn so formulierte: "Mit einer linken politischen Einstellung hat das, was da passiert ist überhaupt nichts zu tun, denn das waren in meinen Augen einfach nur durchgeknallte Chaoten und Verbrecher, denen es nur darum ging, mit möglichst viel Gewalt den möglichst größten Schaden anzurichten." Eine andere Frau meinte: "Dass dieser Gipfel stattgefunden hat, war denen doch völlig egal, denn mit Politik oder gesellschaftlichen Veränderungen haben die doch sowieso nichts am Hut, weshalb es mich fürchterlich ärgert, dass die Zeitung und alle anderen Medien davon ausgehen, dass es sich um Linksextremisten gehandelt hat." Alle Anrufer habe ich gefragt, ob sie das Interview auf der Seite "Zeitgeschehen" mit dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz auch bis zum Ende durchgelesen und auch den Artikel darunter mit der Überschrift "Sie sind verachtenswerte, gewalttätige Extremisten" zur Kenntnis genommen haben, weil in beiden es auch darum ging, was die Menschen zu solchen Gewaltexzessen antreibt, ob und welche Ziele sie haben und ob es so etwas wie eine Ideologie gibt, die sich mit dem Wort "linksautonom" umschreiben ließe. Alle haben mir bestätigt, die Berichte gelesen zu haben, sie würden aber trotzdem bei ihrer Einstellung bleiben. Soll heißen: Links darf man in Zusammenhang mit diesen Straftätern einfach nicht sagen oder schreiben.
Dabei hätte ich es belassen und den Leuten sagen können, dass ich mir Notizen gemacht habe und die Kollegen in der Redaktion darüber informieren werde; die Anrufer wären, das weiß ich, damit zufrieden gewesen. Aber ich habe nicht geschwiegen, ich habe einen Einwand geäußert, der dazu geführt hat, dass vier Anrufer jetzt noch zusätzlich sauer auf mich sind und mir schlichtweg die Kompetenz absprachen, über dieses Thema zu sprechen, aus welchen Gründen auch immer, ich muss das jetzt nicht wiederholen. Die anderen drei Anrufer waren dann noch so nett und haben sich wenigstens von mir verabschiedet, auch wenn sie (was ich natürlich nur vermuten kann) mit dem Kopf geschüttelt haben angesichts dessen, was ich ihnen gesagt habe. Der Gefahr bin ich mir bewusst, dass ich mich nun gleichfalls dem Risiko aussetze, auch an dieser Stelle mit weniger freundlichen Worten überschüttet zu werden. Das nehme ich in Kauf; deswegen zu schweigen, ist nicht wirklich eine Alternative für mich. Möge sich jetzt jeder selbst ein Urteil bilden:
Innerhalb der politischen Linken gab es immer und gibt es meiner Ansicht nach anarchistische Strömungen, deren Anhänger die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat ablehnen und versuchen, beides unter Anwendung von Gewalt in ihren Fundamenten zu erschüttern mit dem Ziel, die von ihnen als solche wahrgenommenen Ungerechtigkeiten in der Welt zu beseitigen und eine Gesellschaft zu schaffen, in der es ihrer Ansicht nach dann gerechter zugeht. Dass in Hamburg auch Leute angereist sind, weil sie einfach Lust auf Randale und bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen mit der Polizei hatten, will ich gar nicht bestreiten. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass es eine große Gruppe von Demonstranten gab, die sich in dieser anarchistischen Gedankenwelt zu Hause fühlen. Und die nenne ich deshalb auch Linksextremisten. (Auf Kommentare und Mails kann ich aus Zeitgründen leider nicht antworten, am Telefon aber rede ich ab morgen gerne über dieses Thema.)
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