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Also, ich habe da mal eine Frage

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Etwa ein Drittel der Gespräche am Telefon kommen zustande, weil die Leser die Nummer der Service-Hotline gewählt und gesagt haben, dass sie eine Frage haben oder einen Kommentar abgeben wollen zu etwas, das sie in der Zeitung gelesen haben, weshalb sie dann mit mir verbunden worden sind. In mehr als die Hälfte dieser Fälle kann ich das Problem innerhalb von wenigen Minuten klären oder die Frage beantworten. In den ersten Jahren habe ich noch versucht, den Leuten zu erklären, wie sie vermutlich viel schneller und unkomplizierter an die gewünschte Information oder Klärung eines Sachverhalts gekommen wären, doch dann habe ich irgendwann eingesehen, dass diese Erläuterungen der Möglichkeiten der Recherche (auch ohne Internet) viel länger dauern, als den Computer beziehungsweise das Netz und die Suchmaschine zu bemühen, weshalb ich jetzt immer sage: "Einen Augenblick bitte, gleich bin ich soweit." Diese fünf Beispiele von gestern und heute machen anschaulich, was ich damit meine:

"Die Zeitung von gestern ist, was nicht hätte passieren dürfen und wofür mein Mann schon ordentlich (...) bekommen hat, in der Altpapiertonne gelandet. Und ich hatte vergessen, die Lottozahlen zu kontrollieren. Wären Sie bitte so nett, und lesen Sie mir die Zahlen bitte noch einmal vor, aber bitte schön langsam, ich bin schon etwas älter", sagte eine Frau in der Leitung und war (eine Minute und zehn Sekunden später) zufrieden deshalb, weil "ich jetzt meinen Schein holen und vergleichen kann."

"Ich hätte gern die Telefonnummer einer von dieser Yoga-Lehrerin", formulierte eine Anruferin ihre Bitte, mit dieser Konsequenz: Etwa eine Minute hat es gedauert, bis ich im Archiv den Artikel gefunden hatte, in dem meine Kollegen von dieser Frau berichtet hatten, weil sich die Leserin nicht erinnern konnte, in welcher Ausgabe er und vor allem ungefähr wann er erschienen ist; nur 20 Sekunden brauchte ich, um die Homepage der  Yoga-Lehrerin zu öffnen und der Frau die Nummer vorzulesen.

"Ich lese Ihnen zunächst mal einen Satz aus einer Nachricht auf der Titelseite vor", sagte ein Mann und zitierte: "Damit stammt bereits jeder siebte in Sachsen tätige Arzt aus dem Ausland." Ich wartete auf eine Frage, aber es kam keine, sondern dieser Hinweis: "Eine Seite lese ich dann die Überschrift zu dem dazugehörenden Bericht und wundere mich doch sehr", hörte ich den Anrufer hinzufügen, bevor er mit die Überschrift vorlas: "Jeder siebente Arzt kommt aus dem Ausland." Von diesem vermeintlichen orthografischen Widerspruch hörte ich nicht zum ersten Mal, weshalb ich innerhalb weniger Sekunden mir noch im Netz den Beweis für meine Feststellung auf den Schirm holte und sagte: "Der Duden erlaubt beides, jeder siebte und jeder siebente." Der Anrufer gab sich damit zufrieden, diesen Hinweis aber wollte er nicht für sich behalten: "Jeder fünfte, jeder sechste, jeder siebente, jeder achte - logisch ist das nicht." Weil ich bei diesem Mann mir nicht sicher war, verzichte ich auf das Zitieren eines alten Kalauers, um die Stimmung etwas aufzulockern, und fragte nicht: Was ergibt sieben mal sieben? Ganz feinen Sand.

Weil ich die Leute immer zuerst einmal ausreden lasse, wenn sie mir nicht gleich und ohne weitere Erklärungen den Grund für ihren Anruf nennen, habe ich mir etwa fünf Minuten lang die Krankengeschichte einer 76-jährigen Leserin angehört, in der es vor allem um die Behandlung einer eher seltenen Krankheit und die Übernahme von Kosten durch die Krankenkasse ging, bevor sich mich dann abschließend fragt: "Jetzt brauche ich also Hilfen, bin ich da bei Ihnen richtig?" "Im Prinzip schon", habe ich geantwortet, "denn ich sage Ihnen jetzt die Telefonnummer der Unabhängigen Patientenberatung in Deutschland. Sind Sie bereit, haben Sie Stift und Zettel zur Hand?" Eine halbe Minute später haben wir uns voneinander verabschiedet, sie sagte noch: "Wer hätte das gedacht."

"Ich habe einen Leser in der Leitung, der sich mal kritisch zur Zeitung äußern möchte, aber er hat mir nicht sagen wollen, was genau ihn stört", sagte die freundliche Kollegin und verband mich mit dem Mann, der sich mir noch mal mit vollständigem Namen, Adresse und Kundennummer vorstellte, bevor er schließlich sagte: "Ich bin gar nicht mehr zufrieden mit der Zeitung." Mit dieser Situation kann ich für gewöhnlich gut umgehen, denn meine Bitte stößt grundsätzlich und immer auf wohlwollenden Reaktionen bei den Anrufern: "Dann erklären Sie mir doch bitte mal genau, was Ihnen daran nicht gefällt." Der Leser brachte sein Anliegen mit einem Satz auf den Punkt: "Sie ist immer ganz zerknittert, wenn ich sie aus dem Briefkasten hole." Mein letzten Worte während dieser Unterhaltung waren diese: "Einen Augenblick bitte, ich verbinde Sie mit den Kollegen in der Service-Abteilung."

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