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Im Namen des Volkes ...
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Zu den Themen, die Leser dazu veranlasst, mich anzurufen, und über die ich grundsätzlich mit den Leuten am Telefon nicht diskutiere, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es gerade das ist, was die Anrufer nicht wollen, gehören die Meinungsäußerung zu Gerichtsurteilen, über die meine Kollegen in der Redaktion geschrieben haben. Heute ging es zwischen zehn und zwölf bei fünf Gesprächen um ein solches Thema. Die Standpunkte lassen sich ausnahmslos auf diesen gemeinsamen Nenner bringen: Für die Milde des Urteils kann man unmöglich Verständnis aufbringen, die Angeklagten hätten auf jeden Fall viel härter bestraft werden müssen.
Drei Leser vertraten diese Ansicht, nachdem sie den Artikel "Anderthalb Sekunden besiegeln Schicksal von sechs Menschen" gelesen hatten; den Sachverhalt fasse ich nicht zusammen, jeder kann ihn jetzt selbst lesen und sich eine Meinung zu dem Urteil bilden. Nur dies noch: Ein Anrufer erzählte mir, dass ein Bekannter von ihm mit fast dem gleichen Strafmaß bedacht worden ist, nachdem er vor Gericht gestanden hatte, weil er seinem Nachbar wegen eines Streits eine Dosis Pfefferspray ins Gesicht gesprüht hatte. "Ich verstehe die Welt nicht mehr", meinte er mit Verweis auf den Artikel.
Zwei Leser haben sich bei mir gemeldet und auf den Artikel "Mann droht mit Bombe – Urteil gegen 36-Jährigen" verwiesen, der gestern in der Zeitung zu lesen war. Der eine meinte: "Und dann verhängt die Richterin eine Strafe, die direkt zum Weitermachen auffordert." Auch hier verzichte ich auf Details, weil sich jeder eine eigene Meinung bilden sollte, nachdem er den Bericht gelesen hat.
Diesen Blog schreibe ich nur aus einem Grund: Weil ich während meiner beruflichen Laufbahn in den vergangenen drei Jahrzehnten schon oft bei Prozessen auf der Zuschauerbank saß, glaube ich zu wissen, weil ich immer und ganz bewusst in die Gesichter der Angeklagten geschaut habe, dass es für die allermeisten für den Rest ihres Lebens eine Last sein wird, die sie zu ertragen haben und mit der sie, was garantiert niemals einfach sein wird, irgendwie umgehen müssen, weil sie vor einem Richter saßen und schuldig gesprochen wurden. Und immer dann, wenn es um eine fahrlässig und nicht vorsätzlich begangene Tat ging, empfand ich häufig Mitleid mit diesen Menschen. Zu Beginn meiner Tätigkeit als Leserobmann habe ich dies manchmal den Leuten in der Leitung gesagt; irgendwann dann aber nicht mehr, weil ich kein einziges Mal auf Verständnis gestoßen bin. Welch Geistes Kind die Menschen sind, denen die Strafen nicht hoch genug sein können, werde ich wohl nie wirklich verstehen können.
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