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Liebe Frauen: leider nur Männer

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Dass ich seit fast 25 Jahren unentwegt bemüht bin, so viel wie möglich über das Leben in der DDR zu erfahren und das nicht zuletzt deshalb, damit mir dieses Wissen beziehungsweise die damit verbundene Möglichkeit des Nachempfindens von betont von Emotionen geprägten Erinnerungen dabei helfen, die Leser am Telefon besser zu verstehen und auf ihre Hinweise zu und Kritik an Artikeln in der Zeitung angemessener reagieren zu können. Also mache ich kein Geheimnis daraus: Mit großem Interesse habe ich heute auf der Seite "Zeitgeschehen" den Artikel mit der Überschrift "Liebe unter Sozialisten" gelesen und mich anschließend gefragt, ob es nicht sogar reizvoll wäre, sich diese Ausstellung über das Liebesleben der Menschen in der DDR persönlich anzuschauen; vielleicht finden sich ja einige Gleichgesinnte, und wir können eine Gruppenreise nach Berlin organisieren. Aber deshalb schreibe ich diesen Blogeintrag nicht. Der Grund ist ein anderer, nämlich dieser:

Im ersten Absatz ist zu lesen: "Mit einer unscheinbaren Zeitungsannonce sucht ein 28-jähriger Ost-Berliner ein nettes, schlankes Schmusekätzchen. Der einsame Kater weiß genau, was für eine Frau er will: Bedingung m-l WA, heißt es in der Anzeige, die in einer neuen Ausstellung im Berliner DDR-Museum präsentiert wird. Kurator Sören Marotz löst das rätselhafte Kürzel auf: Er wollte eine Partnerin mit marxistisch-leninistischer Weltanschauung." Nun denn, ein Mann rief mich an, teilte mir mit, dass er schon weit über 80 sei, sein Gedächtnis aber nach gut funktioniere und er zu DDR-Zeiten ein in Liebesangelegenheiten höchst kundiger Vertreter seines Geschlechts gewesen sei. Mit schon (vermutlich aus Altersgründen) leicht brüchig klingender Stimme teilte er mir mit: "Das kann nicht stimmen, ein Mann hätte niemals eine solche Annonce aufgegeben, das kann nur eine Frau gewesen sein", sagte er und fügte hinzu: "Wir Männer hatten damals so etwas nämlich nicht nötig." Kommentiert habe ich seinen Hinweis nicht weiter, was er offenbar als Aufforderung verstand, noch einmal nachzulegen: "Und ich verrate Ihnen noch etwas: Die Frauen, die solche Anzeigen in die Zeitung gesetzt haben und diesen Zusatz auf die politische Überzeugung hinzufügten, das waren alles nur Lehrerinnen, weil die systemtreu sein mussten, denn sonst hätten sie ihre Anstellung verloren, aber gerade deshalb blitzen die meisten dann bei den Männern ab."

Sprachlos war ich nicht, was bekanntlich auch schon mal vorkommt, aber ich habe dann doch liebe darauf verzichtet, mit dem Anrufer zu diskutieren oder nachzufragen, auf welche seiner Erfahrungen er sich berufen möchte, wenn er zu einer solchen Einschätzung kommt. Also habe ich mich bedankt, verabschiedet und mir dann, wie immer nach Gesprächen über die Rolle der Frau allgemein und auch speziell die "Steinigungsszene" in dem Film "Das Leben des Bryan" angesehen; anschließend konnte ich weiterarbeiten. Die Gründe beziehungsweise die Wirkung dieses Clips auf meine psychomentale Verfassung möchte ich allerdings für mich behalten.

Eigentlich hatte ich vor, daraus kein Thema für einen Blogeintrag zu machen, doch da es sich nach den Schilderungen zuvor nun anbietet, möchte ich fünf Beispiele von insgesamt mehr als 20 Hinweise und Kommentaren nennen, die ich als Reaktion auf den Artikel "Frau Kunde - Weshalb eine Frau gegen das Männerdeutsch vor Gericht gezogen ist" erhalten habe:

"Wie klingt denn das, wenn ich sagen würde, dass die Französinnen und Franzosen guten Wein herstellen?", wollte (ich betone) ein Anrufer von mir wissen.

"Können Sie mir mal erklären, warum es der Rhein und der Nil, aber die Wolga und die Donau heißt", formulierte (ich betone) ein Leser seine Aufforderung an mich.

"Liebe Soldatinnen, liebe Soldaten, ich kann mich nicht mehr halten vor Lachen", sagte (ich betone) ein Mann.

"Weil es bis Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland nicht das Wahlrecht für Frauen gab, ist es heute zwingend erforderlich, immer von Wählerinnen und Wählern zu sprechen und auch zu schreiben", meinte (ich betone) ein Anrufer.

"Besonders schwachsinnig findet ich, dass es der Mercedes heißt, obwohl doch jeder weiß, dass dies ein Frauenname ist", erklärte mir (ich betone) ein Leser.

Abschließend noch diese Information: Zu dem Thema hat mich nur eine Frau angerufen, und sie wollte mir nur mittteilen, dass sie die allergrößte Hochachtung von Marlies Krämer habe; das ist die Frau, die unter anderem wegen der fehlenden weiblichen Bezeichnungen in Bankformularen bis vor den Bundesgerichtshof gezogen war. 

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