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Flieg, Vogel flieg ...

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Nach Spinnen und Mäusen soll es heute, weil ich schon seit Tagen nicht mehr über Tiere geschrieben habe, um eine Vogelart gehen: Der Rohrspatz. Dieser kleine gefiederte Freund, der sich besonders in Feuchtgebieten wohl fühlt, hat zwei Probleme. Erstens: Er ist kein Spatz, denn der richtige Gattungsname lautet Rohrammer. Zweitens: Er singt nicht, er schimpft; sein langgezogener, besonders hoher und häufig rauer Ruf ist dafür verantwortlich, dass es diese Redensart gibt.

Darum geht es mir, denn der Rohrspatz ist mir in den vergangenen Wochen besonders ans Herz gewachsen. Aus einem einfachen Grund: Ich muss häufig an ihn denken, meistens mehrmals am Tag. Bevor hier aber ein falscher Eindruck entsteht, will ich betonen, dass es in meinen Gesprächen mit Lesern am Telefon immer um die Sache geht, wir stets einen freundlichen Ton anschlagen und von Streit nie die Rede sein kann. Aber Einleitungsformulierungen wie "Ich muss Ihnen mal sagen" oder "Das will ich jetzt unbedingt loswerden" haben zur Folge, dass in meiner für Fantasie zuständigen Gehirnregion ein kleiner Rohrspatz aufsteigt und seine Kreise zieht. Meistens hat er ein "Blatt" im Schnabel, an den Seiten hängt "Wurst" herunter, manchmal auch "Käse".

Der Leser heute am Telefon wählte in meiner (nicht offiziellen) Liste von lieb und teuer gewordenen Eingangssätzen diesen: "Es geht mir um den Inhalt", sagte der Anrufer und fügte hinzu: "Nicht um das neue Aussehen." Etwa drei bis fünf Sekunden hörte ich nur sein Atmen, dann die Worte "Die Zeitung ist mir zu ...", dann wieder eine kurze Pause, bevor er weitersprach: "Ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll, die Artikel und Kommentare sind mir zu ...". An dieser Stelle hörte ich mich selbst laut ein- und ausatmen, dann fiel das Wort des Tages: "Neoliberal." Der Rohrspatz in meiner Vorstellung verstummte, von einem zum anderen Moment, er stürzte ab, der Vogel war abgeschossen, stieg wie Phönix aus der Asche und diskutierte zehn Minuten lang über die Innenpolitik in Deutschland.

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