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Erst freundlich, dann geschockt
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Ein Leser hat mir heute mitgeteilt, dass er kürzlich am Stadtrand von München in einem Hotel übernachtet. "Geschlafen habe ich in einem Doppelzimmer, wofür ich eigentlich auch den vollen Preis bezahlen sollte", teilte er mir mit: "Dann habe ich mich wirklich nett mit der Frau an der Rezeption unterhalten, was am Ende dazu führte, dass ich einen deutlichen Rabatt bekommen habe, weil ich doch allein in dem Zimmer übernachtet habe." Warum er mir das erzählt hat? "Was rechtfertigt Zuschläge im Hotel für Einzelzimmer?" lautete die Überschrift des Beitrages auf der Seite "Onkel Max" am vergangenen Freitag, den der Mann aufmerksam gelesen hatte, bevor er sich dazu entschloss, mich anzurufen und mir zu sagen: "Mit Freundlichkeit kommt man manchmal eben auch weiter als nur damit, auf sein Recht zu pochen." Widersprochen habe ich nicht, nur musste ich etwa eine halbe Stunde später an diese Unterhaltung denken, weil ich wieder einmal die Erfahrung machen musste, dass es am anderen Ende der Leitung mit der Freundlichkeit auch schnell vorbei sein kann.
Dem Leser ging es um den Artikel "Brutaler Mord in Limburger Innenstadt" am Samstag auf der Seite "Aus aller Welt". Er las mir diesen Satz vor: "Der 34 Jahre alte deutsche Staatsangehörige stieg dann aus dem Auto und schlug mit einer Axt auf die am Boden liegende Frau ein." Dann meinte er, dass es sich, so wie gerade im Internet recherchiert habe, bei dem Täter um einen Tunesier handeln würde, und fragte mich: "Das hätte dort stehen müssen, warum verschweigen Sie den Lesern das?" Ich bat ihn, weil ich ein freundlicher Mensch bin, um etwas Geduld, gab die entsprechende Wörter in die Suchmaske meines Redaktionssystem ein und konnte den Anrufer darüber informieren: "Der Mann mit tunesischen Vorfahren ist in Deutschland geboren und aufgewachsen." Eigentlich glaubte ich mich an dieser Stelle auf der sicheren Seite, doch der Leser sah das ganz anders: "Das hätte unbedingt erwähnt werden müssen." Natürlich wollte ich von ihm wissen, warum das seiner Meinung nach eine wichtige Information zum Verständnis der Tat sei. Seine Antwort hat mich dann tatsächlich in eine Schockstarre fallen lassen, bevor dann mein Bekenntnis zur Freundlichkeit an ihre Grenzen stieß. Der Leser sagte wortwörtlich: "Ein Deutscher hätte so etwas niemals getan." Es kam noch schlimmer, denn als ich mit ihm über das Attentat in Halle reden wollte, sagte der Mann: "Das war etwas ganz Anderes." An dieser Stelle habe ich dem Universum eine Frage gestellt: Kann mich mal jemand auf den Arm nehmen?
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