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Liebe: Das ist Rumgemähre

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Da sich die Aufnahme meiner Arbeit als Leserobmann der "Freien Presse" demnächst zum achten Mal jährt und ich beinahe unentwegt mir Gedanken darüber mache, ob sich in den nächsten sieben Jahren daran etwas grundsätzlich ändern könnte, erlaube ich mir heute in meinen Randnotizen aus den Protokollen mit den Hinweisen von Lesern auch einmal mir selbst die Frage zu stellen: Muss ich mal wieder in mich hineinhorchen, wie es mit mir weitergehen könnte. Dass ich mich dabei auf eine Stufe mit den katholischen Kardinälen stelle, möge man mir verzeihen.

Episode 1: Angesichts der Tatsache, dass sich nur ein Leser auf meinen Hilferuf "Was ist Geplauze?" gemeldet und mir eine Erklärung angeboten hat, kam mir doch der Gedanke, die ganze Sache hier einfach einzustellen, weil es vermutlich ohnehin kaum noch jemand liest; Hinweise zu meinen Ausführung gibt es (bis auf eine tägliche Ausnahme, wofür ich der Leserin danke und ihr in meinen Memoiren ein eigenes Kapitel widmen werde) so gut wie gar nicht, Kommentare sind auch die Ausnahme. Weshalb ich mich entschlossen habe, demnächst mal wieder ein Konklave abzuhalten mit der Option, dass auch schwarzer Rauch aufsteigt, kein weißer mehr. Der Mann erklärte mir: "Im Oberlausitzer Wörterbuch kann man nachlesen, das Plauzen für fallen, dumpf aufschlagen oder hinfallen und schießen steht." Nun gut, habe ich mir gedacht, aber trotzdem nachgefragt: Und was hat das mit dem Fußball zu tun, den die deutsche Mannschaft beim Vorrunden aus abgeliefert hatte? Auch hier habe ich eine Antwort bekommen: "Die Oberlausitzer sagen vielleicht, wenn es etwas chaotisch zugeht: Doas is a Geplauze. Der Sachse hätte zum DFB-Spiel gesagt: Das is ä Gegamml." Also habe ich "Gegamml" in meine Liste der Wörter aufgenommen, die ich demnächst mal in Gesprächen mit Kollegen fallenlassen werde; mal sehen wie sie reagieren. Ach ja, bevor ich das vergesse: Ein Vorschlag für eine sächsische Bezeichnung für das Liebesspiel war "Rumgemähre".

Episode 2: Weil ich gerade mal nachgezählt habe, kann ich es gut einschätzen: Täglich laufen in allen meinen digitalen Postfächern bis zu 20 unterschiedliche Newsletter ein. Und wenn ich sie alle komplett durchlesen würde, wäre ich bis zu drei Stunden nur damit beschäftigt. Für einen aber nehme ich mir immer diese Zeit, er kommt viermal im Jahr vom "Max-Planck-Institut für demografische Forschung" und trägt den Titel ""Demografische Forschung aus erster Hand". Warum ich ihn immer genau studiere? Dieses Beispiel aus der jüngsten Ausgabe mag den Unterhaltungswert deutlich machen, den diese Informationen für mich haben. Wörtlich heißt es darin: "Wenn die Lebenserwartung zunimmt, kann auch die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen steigen. Statistik kann manchmal brutal sein. Wenn es darum geht, das Risiko für Erkrankungen zu berechnen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Krankheit oder Tod. Erst wenn jemand gestorben ist, ist sicher, dass sie oder er nicht mehr erkranken wird. Im Umkehrschluss heißt das: Wer länger lebt, ist auch länger dem Risiko für Erkrankungen ausgesetzt. (...)"

Episode 3: Ein Leser hat sich bitter darüber beschwert, dass er jeden Tag auf der Titelseite der "Freien Presse" in der ersten Spalte ganz oben eine Information mitgeteilt bekomme, die er dann im Lokalteil ein zweites Mal lesen dürfe, dann zwar ausführlicher und mit mehr Hintergrund, aber trotzdem sei es ein Doublette. Also habe ich versucht, ihm zu erklären, was eine "Anrissmeldung" ist und warum man mit dieser journalistischen Form die Leser neugierig auf den Innenteil machen möchte (zum Beispiel wenn er die Titelseite in einem Zeitungsladen sieht und seinen Blick darüber schweifen lässt), aber der Mann in der Leitung ließ keines meiner Argument gelten und meinte: "Sie können mir viel erzählen, aber das ist und bleibt Platzverschwendung." An dieser Stelle habe ich dann gelogen, als ich ihm gesagt: "Also gut, ich werde meine Kollegen darüber informieren, dass Sie angerufen haben." Denn ich weiß: In den Himmel komme ich sowieso nicht.

Episode 4: Und dann gibt es da noch die Hinweise von (meistens anonymen Verfassern von Mails und ausgefüllten Kontaktformularen), die zwar kryptisch sein sollen, mich aber tatsächlich zum Nachdenken bewegen können. Diese Nachricht war so eine, und sie bestand fast ausschließlich aus einem Zitat von Kurt Tucholsky: "In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht." Nun denke ich darüber nach: Ist das ein Lob für die Arbeit meiner Kollegen oder eher eine Warnung, dass sie sich hüten sollen, weil ihn Unheil drohen könnte? Noch bin ich zu keiner Entscheidung gekommen, ich arbeite daran.

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