Blog "Leser-Obmann": Kein Stoff, den man gerne ...

Bei manchen Gesprächen bin ich mir ganz sicher: Dieses Anliegen des Anrufers ist einmalig, das wird es nicht noch einmal geben; und ich möchte hinzufügen, weil mich die Erfahrung eines Besseren belehrt hat, dass das tatsächlich etwas Besonderes ist. Aber in diesem Fall habe ich nicht den geringsten Zweifel:

"Ich möchte Ihnen gerne vier Packungen mit Stofftaschentüchern schicken; schon etwas älter, aber ungebraucht und originalverpackt", sagte die Frau am Telefon. Das war dann wieder einer dieser Momente, in denen ich sprachlos bin; nicht nur sinnbildlich, sondern tatsächlich; was die Leserin zu einer Frage motivierte: "Der Leser-Obmann hilft immer, habe ich in der Zeitung gelesen, vielleicht nicht gerade wörtlich, oder stimmt das etwa nicht?" Das war das Stichwort, das ich brauchte, um meine Sprache wiederzufinden, also sagte ich: "Aber sicher doch, nur zu Stofftaschentüchern habe ich ein etwas gespaltenes Verhältnis, weil sie mich sehr an meine Kindheit erinnern, wie ich mich davor geekelt habe, wenn ich ..."

Nicht viele Anrufer wagen es, doch diese Frau traute sich und fiel mir ins Wort: "Mir doch auch, mir doch auch, allein die Vorstellung, wieder in so ein vollge... Aber deswegen will ich sie ja loswerden, denn sie einfach in den Müll zu schmeißen oder in den Altkleidersack zu stopfen - dafür sind sie mir dann doch etwas zu wertvoll; schließlich ist es Markenqualität." Noch immer hatte ich überhaupt keine Ahnung, was ich mit den Stofftaschentüchern soll, die mir die Leserin schicken wollte. Weil ihr Tonfall aber keinen Zweifel zuließ, bei mir an der richtigen Adresse zu sein, wartete ich einfach ab; was sich schließlich auszahlte, nachdem ich noch viel über die Vorteile von Papiertaschentüchern erfahren hatte.

"Sie sollen sie doch nicht behalten, sondern weiterschicken an Ihre Kollegin", sagte die Anruferin, was mir nicht wirklich weiterhalf. Doch beim nächsten Satz fiel dann auch bei mir der Groschen: "Der Mutter von den beiden süßen Kindern, die immer montags darüber schreibt, was sie alles so erlebt in ihrer Familie. Ich finde diese Geschichten köstlich, ich muss immer furchtbar lachen", hörte ich im Kopfhörer. Den Namen der Redakteurin wusste sie nicht mehr, aber den der Kinder: "Marius und Jette, wirklich süß die beiden." Nun war alles klar, im Computer habe ich sofort die Kolumne "Unter uns" gefunden (jeden Montag auf der Seite Kind & Kegel), und weil die Überschrift "Opas Nase liebt Stoff" eindeutig war, musst ich auch nicht weiter suchen. Aber während ich den Text diagonal überflog, mich außerdem gleichzeitig daran erinnerte, wurde mir bewusst, dass hier wohl ein Missverständnis vorlag. Deshalb sagte ich: "Liebe Frau (...), ich bin mir ganz sicher, dass die Kollegin die Stofftaschentücher auch nicht mag, und meiner Meinung nach ..." Schon wieder durfte ich nicht aussprechen: "Darum geht es doch gar nicht", sagte die Leserin, "sie soll sie doch dem Opa Roland schenken. Dem Schwiegervater eine Freude zu bereiten, ist doch bestimmt eine gute Sache, oder meinen Sie nicht?" Auch wenn ich in diesen Dingen nicht gerade über viel Erfahrung verfüge, habe ich der Anruferin zugestimmt. Denn wo sie Recht hat, hat sie Recht: Mit Schwiegereltern sollte man sich gut stellen, auf jeden Fall.

Heute mal mit PS: Die Auswertung der Klickzahlen von "Es ist soweit: Es geht um Sex und Porno" liegt vor; allerdings muss ich mir erst mal ein paar Gedanken machen, was das für mich bedeutet, bevor ich öffentlich etwas dazu schreibe; ich bitte um Verständnis.

Weitere Blog-Einträge

Sie lesen gerade auf die zweitbeste Art!

• Mehr Lesekomfort auch für unterwegs
• E-Paper und News in einer App
• Push-Nachrichten über den Tag hinweg

Kostenlos herunterladen

Nein Danke. Weiter in dieser Ansicht.