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Eine Frage des Respekts, hier die Antwort

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Verbale Theatralik meide ich für gewöhnlich, weil man immer Gefahr läuft, über das Ziel hinauszuschießen, doch nun muss ich bekennen, dass mir gerade dieser Satz in den Sinn kam: Dass ich das noch erleben darf. Was passiert ist? Ganz einfach: So gründlich wie heute habe ich, der von sich behauptet zu wissen, was die Leser der "Freien Presse" denken und wie sie "ticken", mich noch nie bei einer Prognose wegen der Wirkung eines Artikels verschätzt. Dass es sich bei dem Text in der Zeitung um meine Kolumne "Er gehört zu uns" auf der aktuellen Seite Leserforum handelt, gibt meiner Vorhersage, die  "falscher" (das eigentlich nicht zu steigernde Adjektiv sei mir als rhetorisches Mittel ausnahmsweise einmal verziehen) nicht hätte sein können, noch mehr Punkte auf der Peinlichkeitsskala. Aber der Reihe nach:

In der vergangenen Woche habe ich am Tag nach dem Rücktritt des Papstes hier in meinem Blog unter der Überschrift "Wie immer: Wenn sich die Geister scheiden" darüber berichtet, dass mehr als zehn Leser mit geballter verbaler Emotionalität über mich hergefallen waren, weil die "Freie Presse" auf drei Seiten über das amtsmüde Kirchenoberhaupt berichtet hatte. Wohlgemerkt: Nicht was geschrieben stand, hatte die Leute verärgert, sondern dass es mehr als einen nachrichtlichen Artikel gab, hatte in ihnen für Wut auslösende Irritationen gesorgt. Und ich war verwirrt, konnte das nicht nachvollziehen und wollte eine Antwort auf die Frage: Sind die Sachsen wirklich mehrheitlich dieser Meinung, wenn es um den Papst geht oder haben mich nur die Leser angerufen, die einen Groll gegenüber dem katholischen Kirchenoberhaupt haben? Deshalb habe ich mich, was ich noch nicht so oft gemacht habe, in der Kolumne voll und ganz auf die Seite der Redaktion und damit gegen die Leser gestellt, die mit mir am Telefon darüber gesprochen hatten. Großes Risiko: "Dass Du Dich da noch auf Arbeit traust", kommentierte ein Kollege heute mein Erscheinen und meinte: "Jetzt erst recht werden sie dich nochmal anrufen und Dampf ablassen." Und dann geschah ein Wunder, es hat mich gerührt, tatsächlich:

Deutlich mehr Leser als vor einer Woche haben mich heute zwischen zehn und zwölf angerufen, um mir zu sagen, dass sie uneingeschränkt meiner Meinung sind und dass sie sich noch nachträglich für die wunderbare Berichterstattung über den Papstrücktritt bedanken wollen.

"In was für einer Welt leben wir denn, dass man so wenig Respekt hat vor diesem Amt und vor diesem Mann?", fragte eine Leserin.

"Ich bin erschüttert, diese geballte Intoleranz hat mich getroffen", meinte ein anderer Leser.

"Diese unverhohlene Wut macht mir Angst: Gärt da in unserer Gesellschaft etwas, vor dem für uns fürchten sollten?", stellte ein Anrufer eine Frage in den Raum.

"Beim letzten Satz musste ich an einen meiner Lieblingssprüche denken", sagte ein Leser und ließ sich nicht zweimal bitten, mir die Zeilen zu sagen: "Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ist Geheimnis, aber jeder Augenblick ist ein Geschenk."

"Ich habe mich tatsächlich für meine Landsleute geschämt", sagte eine Leserin.

Und ich habe wirklich gedacht um zwei Minuten nach zwölf: Dass ich das noch erleben darf.

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