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Oh Gott, das geht gar nicht
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Dies vorweg: Es geht in meinen Randnotizen aus den Protokollen der Gespräche mit Lesern zwischen zehn zwölf heute nicht um Reaktionen zu den Berichten über den G-20-Gipfel in Hamburg und auch nicht über die vom Bundestag und Bundesrat verabschiedete Neuregelung bei der "Ehe für alle", wobei ich (zum besseren Verständnis) aber betonen möchte, dass es in mehr als 80 Prozent aller Unterhaltungen am Telefon doch noch um diese beiden Themen ging. So viel sei verraten: Ich schreibe heute über Gotteslästerung, die drohende Unterversorgung von Kindern mit einem Grundnahrungsmittel und ein Lob für die Arbeit des Leserobmanns.
Episode 1: "Können wir mal über die Liegestütze reden?", fragte mich eine Frau am Telefon und ließ mich damit zunächst mal allein. Weil ich schlagfertig sein wollte, gerade weil keine Ahnung hatte, worum es ihr tatsächlich ging, fragte ich zurück: "30 bis 40 sind für mich auch kein Problem, wie viele waren es denn?" Das Seufzen war deutlich zu hören, bevor sie sagte: "Achtundzwanzig, aber kann es sein, dass Sie ihre eigene Zeitung heute noch nicht gelesen haben?" An dieser Stelle fiel es mir mal wieder auf die Füße, dass der Arbeitsspeicher in meinem Gehirn offenbar einen Prozessor zwischengeschaltet hat, der nach Wichtigkeit geht, wenn es darum geht, sich Dinge zu merken, denn natürlich lese ich jeden Morgen die Zeitung von vorn bis hinten aufmerksam durch und denke bei jeder Überschrift darüber nach, ob ich jetzt gleich oder später den ganzen Artikel lesen soll. Es kam also, wie es kommen sollte, denn es war wieder mal die Seite "Aus aller Welt", mit der ich schon immer ein Problem hatte, mir den ganzen Tag über zu merken, was ich morgens gelesen hatte, wobei ich betonen möchte, dass es nicht an der journalistischen Qualität der Artikel oder auch Fotos liegt, sondern ganz einfach daran, dass meine Interessen andere sind. Nun denn, nachdem sich sie dazu aufgefordert hatte, nannte mir die Leserin mit "Gericht schätzt Liegestütze auf einem Altar als Kunst ein" die Überschrift des Berichts, der am Dienstag in der Zeitung gestanden hatte und sprach dann, bevor das Gespräch mit ihr dann schon am Ende angelangt war, den Satz, mit dem sie ihre Meinung auf den Punkt brachte: "Das ist keine Kunst, das ist Blasphemie."
Episode 2: "Hier ist der Staat gefordert, einzugreifen und dafür zu sorgen, dass nicht gerade die darunter leiden, die am meisten darauf angewiesen sind", meinte eine Leserin, die mich angerufen hatte, weil sie in den vergangenen Wochen schon mehrmals gelesen hatte, dass Milchprodukte sich deutlich verteuert haben (siehe auch Blogeintrag "Echt sauer: Dafür gibt es eine 7,1"). Denn die Frau macht sich vor allem deswegen Sorgen, weil gerade Kinder viel Milch trinken sollen und möglichweise jetzt weniger in diesen die Gesundheit fördernden Genuss kommen, weil die Eltern der Meinung sein könnten, die Milch sei jetzt zu teurer und man müsse auf billigere Alternativen ausweichen. Eine genaue Vorstellung, wie das Umsetzen eine Subventionierung beim Milchkauf für Eltern mit Kindern konkret aussehen könnte, hatte sie aber nicht, sie sagte nur dies: "Die Behörden denken doch sonst auch die unmöglichsten Regularien aus, da werden sie doch einen Zuschuss für bedürftige Familien beim Einkauf von Milch hinkriegen." Widersprochen habe ich ihr nicht, doch ich gebe zu, dass ich von dieser Unterhaltung nur deshalb hier berichte, weil mich da abschließende Satz der Frau in der Leitung begeistert hat: "Bei der Gelegenheit habe ich bei uns auch gleich mal was geändert: Mein Mann muss jetzt zum Abendessen auf sein Bier verzichten und kriegt von mir ein Glas Milch auf den Tisch gestellt."
Episode 3: Weil es selten genug ist, erlaube ich mir heute, aus zwei mir per Mail zugeschickten Meinungen zu meiner Kolumne "Das ist das Dilemma" auf der aktuellen Seite Leserforum zu zitieren. Ein Leser meinte: "Ganz großartig ist Ihr letzter Absatz in der heutigen Kolumne über die Gewissensfreiheit der Abgeordneten. Alle Journalisten sollten ihre Stimme viel, viel mehr in diesem Sinne erheben. Es gilt, den sogenannten Fraktionszwang bei jeder Gelegenheit zu brandmarken." Ein zweiter Leser schrieb: ". Da neben dem Gewissen auch Fragen von Gesinnung, Moral, Ethik und Verantwortung eine wesentliche Rolle spielen, müssten an dieser Stelle für eine umfassende Antwort eigentlich Philosophen zu Worte kommen. Da sich ein Bundestagsabgeordneter auf das Gewissen allein also nicht berufen kann, stelle ich mir vor, dass sich die Abgeordneten zumindest ihrer Verantwortung gegenüber den Wählern bewusst sind. Diese Verantwortung besteht ja darin, dass die Abgeordneten einen aus dem Steueraufkommen der Bürger ganz ordentlich bezahlten Job auszuführen haben, dessen Aufgabe entsprechend Artikel 56 des Grundgesetzes sinngemäß darin besteht, dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen und Schaden von ihm abzuwenden. Führen die Abgeordneten als Angestellte des Souveräns, also der Bürger, ihren Job nicht ordnungsgemäß aus, können sie von den Bürgern leider nicht einfach entlassen werden. Umso mehr ist die Verantwortung dieser Abgeordneten gegenüber den Wählern einzufordern. Gewissen und Verantwortung gehören zusammen, denn „ohne Verantwortung ist das Gewissen blind."
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